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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 58.1907-1908

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Halm,: .: Eine Geschichte des Kunstgewerbes
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https://doi.org/10.11588/diglit.9043#0289

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Eine Geschichte des Kunstgewerbes.

sich zwar zunächst nur nach dem ersten Bande
richten, die Anlage des Ganzen und die Namen der
Mitarbeiter aber bürgen dafür, daß der zweite Band
das vorgreifende Lob vollkommen rechtfertigen wird.

Angesichts der neuen Publikation darf man
wohl behaupten, daß wir eine Geschichte des Kunst-
gewerbes, die wissenschaftlich aufgebaut war, bisher
überhaupt nicht besessen haben. Am ehesten hätte
Bruno Buchers „Geschichte der technischen Künste"
als eine solche angesprochen werden können. Bücher
bzw. seine Mitarbeiter faßten jedoch nicht das Kunst-
gewerbe als eine Einheit, als Aus-
druck bestinimter Lebensbedürfnisse
und Lebenswandlungen der Men-
schen, sondern stellten die verschie-
denen Materialien und Gattungen
kunstgewerblicherSchöpfungen in den
Mittelpunkt ihrer Untersuchungen.

Das Band zwischen dem Menschen,
seinem pausrat, seinem Luxus ward
darin nur oberflächlich geschwungen,
die Wechselbeziehungen, die treiben-
den Kräfte wurden nur nebensäch-
lich behandelt. Etilwandlung und
Technik bildeten die Pauptsaktoren
der geschichtlichen Darstellungen.

Es wäre das natürlichste gewesen,
in unseren Kunstgeschichten analog
den Gebieten der sogenannten hohen
Kunst — Baukunst, Plastik und
Malerei — auch dem Kunstgewerbe
eine sorgfältige Abhandlung zu
widmen, meist aber beschränkte man
sich aus dünne dürftige Überblicke;
nur die „Allgemeine Kunstgeschichte"
von Kuhn drang um einiges tiefer
in die Materie ein.

Die Geschichte des Kunst-
gewerbes von Lehnert lehrt uns
die angewandten Künste aus der
Geschichte und Kulturgeschichte ihrer Zeit heraus
verstehen, versäumt aber deshalb nicht, uns auch mit
den einschlägigen technischen Vorgängen vertraut zu
machen. Das vielverzweigte Gebiet machte eine Auf-
teilung des Arbeitsstoffes an mehrere Mitarbeiter not-
wendig. Dies bot die einzige Möglichkeit, wenn auch
bei einiger Abwechslung in der Darstellung, allen
Abschnitten gleich hohe Vollkommenheit und Unan-
tastbarkeit zuzuteilen. Wir skizzieren in Kürze. Der
Perausgeber Georg Lehnert, der Geschäftsführer des
Vereins für deutsches Kunstgewerbe in Berlin, leitet
den ersten Band ein mit einer Übersicht über das
Kunstgewerbe des letzten halben Jahrhunderts, Zn

eben so klarer wie schöner Diktion entwickelt er den
Begriff und die Aufgaben des Kunstgewerbes, be-
spricht er die Materialien und die Arbeitsgebiete, die
Wirtschaftsformen und die Bedeutung des Kunst-
Handwerks in ethischer, volkswirtschaftlicher und kul-
tureller Beziehung. Die Einleitung Lehnerts hat
auch nicht einen Punkt von Belang übersehen; nirgends
zu viel, nirgends zu wenig, trägt sie in gleicher Weise
dem Kunstgewerbler wie dem Theoretiker Rechnung.
Vor allem sprechen die knappen Erörterungen über
Material und Technik an; etwas Ähnliches hatte
die kunstgewerbliche Literatur bis
jetzt nicht auszuweisen. Den nach
wissenschaftlicher Kost Ausschauen-
den wird außerdem das Kapitel
über die Grundlagen und Ziele der
Geschichte des Kunstgewerbes in
hohem Grade interessieren.

Professor Or. Erich pernice
entrollt ein klares Bild des vor-
geschichtlichen und altmorgenländi-
schen Kunstgewerbes. Zn die Be-
arbeitung des Kunstgewerbes im
Mittelalter teilten sich zwei Forscher,
denen seit geraumer Zeit der unein-
geschränkte Ruhm aller wissenschaft-
lichen Fachleute gezollt wird, die
ersten Kenner auf diesem Gebiete
zu sein, Professor Vr. Gtto von
Falke, der langjährige Direktor des
Kölner Kunstgewerbemuseums, der
vor kurzem als der würdigste Nach-
folger Zulius Lessings die Leitung
des Berliner Kunstgewerbemuseums
übernahm, und Vr. Georg Swar-
zenski, der Direktor des Städelschen
Instituts in Frankfurt. Der letztere
behandelte das altchristliche und das
byzantinische Kunstgewerbe, Mtto

von Falke das frühe Mittelalter von
der Völkerwanderungszeit an bis zum Ende der
Gotik. In diesen Abschnitten, zumal in jenen von
Falles, ist eine solche Fülle von Wissen, von eigener
Erfahrung, die ganze reiche Frucht langjährigen

ernsten Schaffens auf allen Gebieten niedergelegt, wie
sie nur der ganz würdigen kann, der sonst mühsam
in den unzähligen Einzeluntersuchungen sich Rat
erholen mußte. Unzweifelhaft war die Ausgabe

hier am schwierigsten, unzweifelhaft aber ward sie
hier auch am glänzendsten gelöst. Nach dem

heutigen Stande unserer wissenschaftlichen Kenntnisse
hätte sie überhaupt nicht glücklicher gestaltet werden
können.

500. vom St. Iohainiisfriedhof
in Freiberg i. Sa.

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