Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 58.1907-1908

DOI Artikel:
Ruge, Clara: Die Grueby-Töpfereien in Boston
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9043#0291

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Grueby-Töpfereien in Boston.

rikanischen Töpferwaren von künstlerischer Bedeutung.
Sk waren für lange Zeit auch die einzigen. Trst
im letzten Dezennium haben nicht nur die Rook-
waren eine große Vielseitigkeit erreicht, die sich so-
wohl in der Färbung als in der Glasur und dein
Dekor bekundet, sondern auch andere Töpfereien sind
in den Vordergrund getreten. Unter dieser neuen
hochkünstlerischen amerikanischen Aeramik nehmen
die Gruebywaren unzweifelhaft eine erste Stelle
ein. Ts ist jetzt zehn Zahre her, daß William p.
Grueby in der Nähe von Boston sein neues Unter-
nehmen ins Leben rief. Auf Tity Point, der histo-
rischen Nimbus besitzt, weil Washington seine Batte-
rien dort ausgestellt hatte, hat Grueby zwei alte
Brennöfen, eine altmodische pandmühle und zwei
Handpressen, die sich auch ziemlich antediluvianisch
ausnahmen, in einer alten Scheuer aufgestellt. Aus
dieser primitiven Werkstätte gingen aber Gesäße
hervor, die von sehr eigenartiger Schönheit waren
und den Amerikanern rasch bewiesen, daß man
kunstschöne Töpferwaren auch dann nicht vom Aus-
lande zu holen braucht, wenn man Gefäße wünscht,
die an alte Stile und Kunstfertigkeiten gemahnen
sollen. Die Gruebywaren haben nämlich eine große
Ähnlichkeit mit altkoreanischen Keramiken. William
fj. Grueby hat ein Verfahren entdeckt, mittels dessen
er eine Glasur herstellt, die von ungemeiner Zart-
heit ist. Die anscheinend rauhe haarrissige Textur
erweist sich, wenn man die Gefäße berührt, als voll- I
ständig glatt. Da die Tonerde hell ist, so besitzen
die Gefäße eine beinah durchsichtige Wirkung. Die
Farbenskala, in der diese Arbeiten hergestellt werden,
bewegt sich in gebrochenen Tönen, die mit dem Matt- j
glanze und der eigenartig altscheinenden Textur har-
monieren: Altgrün in verschiedenen Nuancen, Matt-
gelb und Tlsenbeinfarbe, Rötlichgrau, Blaugrau,
pellgraublau und Mattblau sind die Paupttöne,
die aber in vielerlei Schattierungen vorkominen,
denn niemals gleichen sich zwei Gefäße weder
in der Farbe, noch in der Form. Das Verfahren,
mittels dessen Grueby die matte Tmailglasur er-
reicht, ist sei» Geheimnis; er schließt Säuren und
Sandgebläse aus.

Die Zeichnungen für die originellen Formen
wurden zuerst von George prentiß Kendrik ent-
worfen. Hauptsächlich der Pflanzenwelt wurden von
ihm die Motive entlehnt und besonders längliche
Blätter eigneten sich vorzüglich, um die schlanken
Formen, die durch ruhige klassische Schönheit wirken,
zu bilden. Sie wurden stets in einer Farbe gehalten
und wiesen im übrigen keine Dekoration aus.

Nach fünf Jahren wurde es bereits möglich,
neue, modernen Ansprüchen genügende Werkstätten

zu bauen. Zwei neue (Öfen wurden angeschafft, ein
Museum angelegt, große Ateliers eingerichtet und
die neuesten Maschinen zum Mischen der Tonerde
und dem Pressen der Kacheln angeschafft. Dampf
und Tlektrizität wurden in den Dienst genommen,
um das Rohmaterial zu verarbeiten. Aber nach wie
vor blieb die Herstellung der Gefäße ausschließlich
künstlerisch-individuelle Landarbeit. Zedes Gefäß
wird auf dem Töpferrade gedreht und wird dann
durch den Modelleur noch in einer charakteristischen
Weise geformt, so daß es ein Tinzelkunstwerk bildet.
Mehrere Dutzend junge Damen modellieren jetzt die
Ornamente. Die Zeichnungen werden jetzt unter
der Leitung von Addison B. Le Boutellier ent-
worfen. Zn neuester Zeit werden auch hellfarbige
Vasen verfertigt, die mit stilisierten bunten Blumen
dekoriert werden. Diese neuen Produkte der Gruebyschen
Töpferei sind aber noch sehr entwicklungsfähig.
Jedenfalls erscheinen sie kindlich im vergleiche zu
denen, für welche die ältere Stilart beibehalten wurde,
und die in Farbe, Form und Textur ihresgleichen
suchen.

Nach und nach sind auch Fayencen immer mehr
in das Gebiet der Gruebywaren ausgenommen worden.
Zuerst versuchte Grueby die Nachahmung der Ar-
beiten von Lucca della Robbia, die ihm sowohl in
der Qualität als in der Färbung wohl gelang;
bald begann er nun die Produktion von Fayencen
weiter auszudehnen.

Bei den Grueby-Fayencen ist die Undurchsichtig-
keit der Glasur ohne jeden Zusatz von Zinn erreicht
worden, sondern nur durch die richtigen Mischungen
der verschiedenen Bestandteile, welche in derartigen
Proportionen stattfand, um die exakte Kristallisation
unter den richtigen Feuerungsbedingungen bewirken
zu können. Die Oberfläche ist Mattglasur. Bis
vor kurzem war die Farbenauswahl noch eine be-
schränkte. Man konnte nur einige Töne unter Scharf-
feuer Herstellen und ergänzte sie durch solche, die bei
nur geringer Hitze erreicht werden können und daher
mindere Härte aufweisen. Diese Farbentöne konnten
aber in letzter Zeit aufgegeben werden, da es ge-
lungen ist, viele neue Nuancen unter Scharffeuer
herzustellen. Man verfügt jetzt über verschieden
getöntes Weiß, Tlfenbeinfarbe, Grau, Braun, Grün-
blau, Lila, Rot, violett und Schwarz in verschiedenen
Nuancen. Am beschränktesten ist noch immer das
Rot und es ist in der Herstellung am kostspieligsten.
Aber auch hier sind in letzter Zeit bedeutende Fort-
schritte gemacht worden. Das brillanteste Rot ist
ungefähr von der Farbe der besten Ziegel. Die
Textur von diesen Fayencen harmoniert mit den
Farben und ist daher verschiedenartig. Öfters
 
Annotationen