Die Ausstellung „München ;908".
567. („München ;y08".) Empfangshalle; von Gabr. v. Seidl. (Näheres bei Abb. 568.)
ein Uneingeweihter wohl die Frage tun könnte:
warum stehen denn unter den schönen Wand-
bildern so unansehnliche graugelbe Zacke und Öl-
kuchen herum?
Die Raumkunst.
Wer sich die eingehende Betrachtung der Raum-
kunst in Halle I zur Aufgabe macht, würde von
ganz falschen Voraussetzungen ausgehen, wenn er
etwa den Standpunkt der Dresdner Ausstellung ein-
nehmen und diese zuin Maßstab nehmen wollte;
denn was hier im Jahre (906 als Auslese künst-
lerischer Raumgestaltung eines ganzen Reiches von
60 Millionen Einwohnern geboten worden, kann er
billigerweise von einer einzigen Stadt mit einer halben
Million Einwohner nicht erwarten. Er findet hier
weniger großräumige, aristokratisch durchgebildete
Gemächer als in Dresden, vielmehr vorwiegend bür-
gerliche Wohngelaffe, die nicht darauf ausgehen,
durch pompöse Ausstattung gefangen zu nehmen,
sondern durch ihr Beispiel dem ganzeil Volk zu Ge-
müte zu führen, wie man mit bescheidenen Mitteln
sein heim geschmackvoll, ansprechend einrichten kann,
uild daß dazu kein unsachlicher Aufputz vonnöten.
Die Raumkunst unserer Ausstellung wendet sich da-
her in überwiegendem Maß an den Mittelstand, wohl
bis in die Meise der oberen Zehntausend, aber doch
selten an die eigentliche Geldaristokratie.
Dennoch wäre der mehr bürgerliche Charakter
der Raumgruppe weniger deutlich ausgeprägt, wenn
nicht auch äußere Umstände bei der Raumverteilung,
also bei der Bestimmung der Raumgrößen mit-
gesprochen hätten. Die Anmeldungen zur Raum-
kunst liefen in so großer Zahl ein und erforderten
eine so große Bodenfiäche, daß die Halle mehr als
doppelt so groß hätte sein müssen, wenn man alle
Wünsche hätte befriedigen wollen. Die Folge da-
von war, daß Anzahl und Größe der Räume ge-
waltig eingeschränkt werden mußten, und daß vieles
bescheidener ausfiel als ursprünglich gedacht war.
Daher die vielfach bemängelte Engigkeit und die
Seltenheit größerer in sich zusammengehöriger Raum-
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567. („München ;y08".) Empfangshalle; von Gabr. v. Seidl. (Näheres bei Abb. 568.)
ein Uneingeweihter wohl die Frage tun könnte:
warum stehen denn unter den schönen Wand-
bildern so unansehnliche graugelbe Zacke und Öl-
kuchen herum?
Die Raumkunst.
Wer sich die eingehende Betrachtung der Raum-
kunst in Halle I zur Aufgabe macht, würde von
ganz falschen Voraussetzungen ausgehen, wenn er
etwa den Standpunkt der Dresdner Ausstellung ein-
nehmen und diese zuin Maßstab nehmen wollte;
denn was hier im Jahre (906 als Auslese künst-
lerischer Raumgestaltung eines ganzen Reiches von
60 Millionen Einwohnern geboten worden, kann er
billigerweise von einer einzigen Stadt mit einer halben
Million Einwohner nicht erwarten. Er findet hier
weniger großräumige, aristokratisch durchgebildete
Gemächer als in Dresden, vielmehr vorwiegend bür-
gerliche Wohngelaffe, die nicht darauf ausgehen,
durch pompöse Ausstattung gefangen zu nehmen,
sondern durch ihr Beispiel dem ganzeil Volk zu Ge-
müte zu führen, wie man mit bescheidenen Mitteln
sein heim geschmackvoll, ansprechend einrichten kann,
uild daß dazu kein unsachlicher Aufputz vonnöten.
Die Raumkunst unserer Ausstellung wendet sich da-
her in überwiegendem Maß an den Mittelstand, wohl
bis in die Meise der oberen Zehntausend, aber doch
selten an die eigentliche Geldaristokratie.
Dennoch wäre der mehr bürgerliche Charakter
der Raumgruppe weniger deutlich ausgeprägt, wenn
nicht auch äußere Umstände bei der Raumverteilung,
also bei der Bestimmung der Raumgrößen mit-
gesprochen hätten. Die Anmeldungen zur Raum-
kunst liefen in so großer Zahl ein und erforderten
eine so große Bodenfiäche, daß die Halle mehr als
doppelt so groß hätte sein müssen, wenn man alle
Wünsche hätte befriedigen wollen. Die Folge da-
von war, daß Anzahl und Größe der Räume ge-
waltig eingeschränkt werden mußten, und daß vieles
bescheidener ausfiel als ursprünglich gedacht war.
Daher die vielfach bemängelte Engigkeit und die
Seltenheit größerer in sich zusammengehöriger Raum-
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