Die Ausstellung „München (908".
trachtung der Metall-
arbeiten den Vortritt
lassen.
Das Hauptwerk nach
Umfang,Grundgedanke,
künstlerischer und tech-
nischer Durchführung ist
Fritz von Millers
„die Sage" — zugleich
ein Zeuge dafür, daß
es auch im Bereich der
Edelmetallarbeit Auf-
gaben gibt, die (gleich der
sogenannten „hohen"
Kunst) in voller Frei-
heit, fernab jeder Zweck -
bestimnmng rein künst-
lerisch-dichterische Ideen
zu verwirklichen streben,
— ein Werk, das ein-
mal in der Empfangs-
halle eines Großen, in
dessen Lsaus die Kunst
eine Zufluchtsstätte hat,
seine» Platz finden sollte,
— ein in Elfenbein und
Metall, Email und Edel-
stein gcoffenbartes Ge-
dicht, dessen Gedanken-
gang der Meister selbst
in die Worte gefaßt hat:
„vergraben unter Schnee
und Eis liegt, Jahrtausende
dem Menschenaug' entrückt,
ein Einhorn; die Sonne hat
sich Bahn gebrochen und ge-
nagt und gefressen an der
schützenden ksülle. Eine Krone
schmückt den Schädel des kö-
niglichen Fabeltieres und er-
zählt in geheimnisvollen Zei-
chen von fremd gewordenen
Zeiten märchenhafter Pracht.
Zwischen Schnee und Eis-
kristallen hat frisches Grün
sich hervor gewagt und im
spärlichen Erdreich Wurzel
geschlagen. Lin Kranz von
ksaiderosen blüht über dem
gebleichten Schädel. Mit dem
Spaten ausgehoben ist die
Scholle Erde, die Alter und Jugend so eng verbunden zeigt. —
Es ist die „Sage", die aus Vergessenheit und tausendjährigem
Schlaf immer wiederjunges, frischkeimendes Leben zu wecken weiß."
So phautasievoll das Werk in seiner künstlerischen
Durchbildung ist, so meisterhaft ist es in der tech-
nischen Bändigung des
Materials; inan darf es
getrost als einen Gipfel-
punkt der Münchener
Edelmetallkunst bezeich-
nen. Wohl dein Edel-
metallkünstler, dem es
seine persönlichen Ver-
hältnisse gestatten, auf
eigenes Risiko in einer so
umfangreichen Arbeit
feine künstlerischen Ideen
ausreifen zu lassen!
(Tafel ^ und Abb. 395.)
Wie einst iin Mittel-
alter durch Narwalzähne
der Einhorn-Mythus
eine greifbare Stütze er-
hielt, so hat wohl auch
im vorliegenden Fall der
Narwalzahn Anlaß zu
der Erzählung von der
Sage gegeben; aber es
gehört die völlige Ver-
trautheit mit allen in
der Metalltechnik liegen-
den Möglichkeiten dazu,
uin ideale Dichtung und
reale Wirklichkeit so eins
werden zu lassen in
Schönheit der Form und
der Farbe.
Über einem polz-
focfel, dessen Kante mit
flach geschnitzten Szenen
aus dem Waldleben ge-
schmückt ist, tragen drei
mit phantastisch getrie-
benen Tiermaskeu aus
Aluminiumblech belegte
Auerriegel eine Erd-
scholle (Kupferbronze),
deren Oberfläche zum
Teil noch in Schnee
(weißes Email) begra-
ben, zum Teil schon mit
Rasen (grünes Email
auf Silber) bedeckt ist;
Tautropfen und Eisrcste (Halbedelsteine) zeigen sich
da und dort. Auf diesem Lager ruht der Schädel
(aus Elfenbein, durch Silbcrstreifcn zusannnengcfaßt),
und um ihn herum steigt aus dem Boden knorriges
Rauksnwcrk mit Warzen aus roten Granaten in
605. Tafelaufsatz (Silber und Narwalzahn);
von Karl Weishaupt, nach Entwurf von Georg Vogt.
(Gesamthöhe — 1,^7 m.)
Run st und Handwerk. 58. Iahrg. Heft \2.
56 (
trachtung der Metall-
arbeiten den Vortritt
lassen.
Das Hauptwerk nach
Umfang,Grundgedanke,
künstlerischer und tech-
nischer Durchführung ist
Fritz von Millers
„die Sage" — zugleich
ein Zeuge dafür, daß
es auch im Bereich der
Edelmetallarbeit Auf-
gaben gibt, die (gleich der
sogenannten „hohen"
Kunst) in voller Frei-
heit, fernab jeder Zweck -
bestimnmng rein künst-
lerisch-dichterische Ideen
zu verwirklichen streben,
— ein Werk, das ein-
mal in der Empfangs-
halle eines Großen, in
dessen Lsaus die Kunst
eine Zufluchtsstätte hat,
seine» Platz finden sollte,
— ein in Elfenbein und
Metall, Email und Edel-
stein gcoffenbartes Ge-
dicht, dessen Gedanken-
gang der Meister selbst
in die Worte gefaßt hat:
„vergraben unter Schnee
und Eis liegt, Jahrtausende
dem Menschenaug' entrückt,
ein Einhorn; die Sonne hat
sich Bahn gebrochen und ge-
nagt und gefressen an der
schützenden ksülle. Eine Krone
schmückt den Schädel des kö-
niglichen Fabeltieres und er-
zählt in geheimnisvollen Zei-
chen von fremd gewordenen
Zeiten märchenhafter Pracht.
Zwischen Schnee und Eis-
kristallen hat frisches Grün
sich hervor gewagt und im
spärlichen Erdreich Wurzel
geschlagen. Lin Kranz von
ksaiderosen blüht über dem
gebleichten Schädel. Mit dem
Spaten ausgehoben ist die
Scholle Erde, die Alter und Jugend so eng verbunden zeigt. —
Es ist die „Sage", die aus Vergessenheit und tausendjährigem
Schlaf immer wiederjunges, frischkeimendes Leben zu wecken weiß."
So phautasievoll das Werk in seiner künstlerischen
Durchbildung ist, so meisterhaft ist es in der tech-
nischen Bändigung des
Materials; inan darf es
getrost als einen Gipfel-
punkt der Münchener
Edelmetallkunst bezeich-
nen. Wohl dein Edel-
metallkünstler, dem es
seine persönlichen Ver-
hältnisse gestatten, auf
eigenes Risiko in einer so
umfangreichen Arbeit
feine künstlerischen Ideen
ausreifen zu lassen!
(Tafel ^ und Abb. 395.)
Wie einst iin Mittel-
alter durch Narwalzähne
der Einhorn-Mythus
eine greifbare Stütze er-
hielt, so hat wohl auch
im vorliegenden Fall der
Narwalzahn Anlaß zu
der Erzählung von der
Sage gegeben; aber es
gehört die völlige Ver-
trautheit mit allen in
der Metalltechnik liegen-
den Möglichkeiten dazu,
uin ideale Dichtung und
reale Wirklichkeit so eins
werden zu lassen in
Schönheit der Form und
der Farbe.
Über einem polz-
focfel, dessen Kante mit
flach geschnitzten Szenen
aus dem Waldleben ge-
schmückt ist, tragen drei
mit phantastisch getrie-
benen Tiermaskeu aus
Aluminiumblech belegte
Auerriegel eine Erd-
scholle (Kupferbronze),
deren Oberfläche zum
Teil noch in Schnee
(weißes Email) begra-
ben, zum Teil schon mit
Rasen (grünes Email
auf Silber) bedeckt ist;
Tautropfen und Eisrcste (Halbedelsteine) zeigen sich
da und dort. Auf diesem Lager ruht der Schädel
(aus Elfenbein, durch Silbcrstreifcn zusannnengcfaßt),
und um ihn herum steigt aus dem Boden knorriges
Rauksnwcrk mit Warzen aus roten Granaten in
605. Tafelaufsatz (Silber und Narwalzahn);
von Karl Weishaupt, nach Entwurf von Georg Vogt.
(Gesamthöhe — 1,^7 m.)
Run st und Handwerk. 58. Iahrg. Heft \2.
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