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lung erinnert an das Gleichniß des Herrn von dem Acker,
unrer dem er die Welt verstand nach ihrer verschiedenen
Fähigkeit, den Saamen seiner Lehre aufznnehmen. Der
Sämann ist hier ein evangelischer Prediger ganz in dem
Habit eines wittenberg'schen Theologen jener Zeit mit der
Doktorsmütze; vielleicht Luther selbst, woran wenigstens
das Aussäen des Saamens, das mit der Rechten geschieht,
erinnert. In der Linken hält er ein Buch, wahrscheinlich
die Bibel, ans dem er mit großem Eifer vorliest. Von
dem ausgestreuten Saamen sieht man auch hin und wie-
der bereits die Früchte auf dem Acker hervvrkeimen, die
in einer großen Menge Köpfe bestehen, die den Mützen
nach niemand als Wittenberger Studenten angehvren kön-
nen. Sie tragen alle spitzig vorstehende Kinnbärte und
haben begierig die Augen auf den vor ihnen stehenden Leh-
rer gerichtet; in der vordersten Reihe dieser Köpfe befin-
det sich einer, der sich aus dem Erdreich bereits bis in
die Mitte des Leibes hervorgearbeitct und ein Buch vor
sich liegen hat, in welchem er dem Lehrer nachzulesen
scheint. Wahrscheinlich einer der bereits, für die Sache der
Reformation herängewachsenen Lehrlinge Luthers. Man
kann diesem Spiel der Malerei etwas Lebendiges und In-
teresse Weckendes nicht absprechen. Aus dem Rücken des
als Berg ansteigenden Ackerfeldes steht eine ehemals ge-
wiß sehr feste Stadt, umgeben mit Mauern, Thürmen
und Bollwerken aller Art, zuverläßig eine Versinnlichung
der als Gottesstadt dargestellten Kirche Christi. Die vie-
len Schäden und Riffe, welche die Kirche genommen hat,
werden bereits an dieser Stadt aller Orten sichtbar. Oben
in der Lust schwebt nämlich ein Mann, nach der Aehnlich-
keit der Züge derselbe, der unten auf dem Acker den Saa-
men ausstreut. Er hat eine Zange, mit der er so eben
einen der höchsten Theile der Gottesstadt, nämlich die
Spitze eines Thurms herabreißt. Ihm stehen zwei Teufel
in Gestalt fliegender Drachen, mit langen Schnäbeln, Fü-
ßen, Flügeln und Schlangenschwanzen bei, deren jeder ei-
nen Blasebalgen in der Hand hält, mit dem er tüchtig auf
die Stadt losbläßt, so daß alles zusammenfällt und an das
durch Ivsua zerstörte Jericho erinnert. Der eine der Teu-
fel ist gerade so gestellt, daß er zugleich bei dem perori-
renden Sämann die Dienste eines Inspirators versehen
kann. Unterhalb dieser Scene stehen die Worte:

Wir baben Vil selten I» vnstrn Hirn,

Darmit mir das gemain voll verfäven.

Wollen auch nit barvon weychen,

Biß wir die ganz kristlich kirch zereyßen.

Man kann der ganzen. Darstellung nicht abläugnen,
daß sie den wesentlichen Unterschied der alten und neuen
Kirche treffend darstellt. Dort das andächtige Wallfahrten
zu einem Bilde, hier das Lehren und Predigen. Indessen
muß man sich doch wundern, daß der, welcher zu diesen
Bildern die Idee gab, nicht gewisse Beziehungen vermie-

den hat, die einer mögliche» Mißdeutung ausgcsezt waren,
die zwar zum Vortheil der Neugläubigen, aber zum Scha-
den der alten Kirche dienen mußten. Das Bild, zu dem
hier die Wallfahrt gethan wird, gleicht eher einer Venus
oder Cpbele, als der Himmelskönigin, wozu noch der völ-
lig nackte Leib mit etwas vollen Brüsten kommt, der sich
offenbar für ein Marienbild nicht schickt. Die Evange-
lischen konnten somit die ganze Scene als eine Satpre auf
heidnisch-christlichen Gottesdienst deuten, während sie, die
beiden Teufel ausgenommen, mit dem Bilde, das ihr Wa-
sen und Treiben versinnlichen sollte, wohl zufrieden seyn
konnten. Denn sie wollten ja wirklich das alte Glaubens-
gebäude niederreißen, und dies im Sinn Luthers durch
Lehren und Predigen.

Dessenungeachtet sann der orthodor evangelische Rath
zu Ulm, als Schutzvogt des Klosters Wiblingen, auf Mit-
tel und Wege, die wenigstens ihm sehr anstößig scheineir-
den Glasmalereien den Blicken der Menge zu entziehen,
und dekretiere daher Freitags den 13. April 1566 Folgen-
des: „Meinem günstigen Herrn, Eustachius Günzburger soll
das geschmelzt vngepürlich vnd schmehlich Glaßwerk, so er
gen Wiblingen in das Kloster machen laßen, verwisen vnd
im vferlegt werden, Verordnung zu thun, damit es noch
vor Nachts widerumb ab dem Weg keine." Günzburger,
der auf jeden Fall nichts dabei zu verlieren meinte, wenn
die Malerei noch langer in der Kirche zu sehen sep, scheint
das Wegschaffen dem ehrsamen Rath überlassen zu haben,
der sie nun auch zu Händen nahm und in sein Archiv
brachte.

Die zweite Glasmalerei stammte ebenfalls von diesem
Eustachius Günzburger her. Auch auf dieser sind zwei
Felder zu sehen. Auf der rechten Seite die wahre Kirche
mit mehreren nicht umpassenden, aber auch manchen für
die alte Kirche nicht ehrenvoller Deutungen fähigen Em-
blemen und Inschriften, auf der linken Seite die falsche
(evangelische) Kirche. Hier spielt ein feuerspeiender Drache
die Hauptrolle; er steht oberhalb der Kirche, und aus sei-
nem weit offenstehenden Rachen gehen die Worte hervor:
Gottes Wort im Herzens?), auf dem Herzen die
Worte: der Teufel im Herzen. Ein Geistlicher, der
sich hier befindet und der auch gerade im Predigen begrif-
fen ist, steht dem Teufel wacker bei. Die Inschriften sind
deutsch und lateinisch. Unterhalb dieser Scene stehen die
Worte: Hans Egenolf von Knöringen 1564. Dieser
scheint also für Günzburger diesmal den Namen hergegs-
ben zu haben. Der Rath von Ulm kannte aber den wah-
ren Vater des Kindes und befahl Günzburgern ernstlich,
das ärgerliche Glas wegzuschaffen. Es kam, wie das
obige, in das Ulmet Archiv.

Carl Jäger.
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