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Tag als der erste Anhaltspunkt einer Geschichte unserer
Kunst zu betrachten ist, kann die Erhaltung eines so
schätzbaren Denkmals das Verdienst des Herrn Depret
in den Augen aller Kunstfreunde nur steigern.

Uebrigens enthält die Kapelle, worin diese Glasma-
lereien nunmehr stehen, im Vorbeigehen bemerkt, auch
einen neuerlichen Versuch der Polychromic, nämlich eine
getreue Copie alter byzantinischer Fresken, und nicht
minder findet sich in einer Seitenkapellc des Schiffes ein
Altar im germanischen Style, dessen Schnitzwerk bunt
bemalt ist. An der trefflichen Wirkung dieser Stücke
läßt sich leicht die Ucberzeugung erholen, wie unerläß-
lich die Polychromie, insbesondere die farbige Plastik,
für die vollendete Ausschmückung eines Gotteshauses,
und wie gegründet der Wunsch eines solchen gewißlich
mit dem besten Erfolge sich krönenden Versuches im
Großen ist.

Aber auch in rein künstlerischem Anbetrachte sind
die Glasmalereien in St. Denis von hohem Interesse.
Die Figuren darauf sind klein, unbeholfen und fehler-
haft in der Zeichnung, und tragen durchaus das Gepräge
der Kunst in ihrer Kindheit; dabei erinnert ihre Ve-
handlungsweise sehr an die Tapeten der Königin Ma-
thilde. Mehr Geschick dagegen verrathen die Ornamente,
das Blumenwerk in den Einfassen, und der Dcssein des
Mosaikgrundes, in dessen Bordüren insbesondere das
arabeske Gewinde durch Schwung der Linien und eine
gefällige Zusammenstellung der Farben anspricht. Dem
Ganzen jedoch gebricht cs merklich an harmonischer
Stimmung.

Außer ihrer geschichtlichen und künstlerischen Bedeu-
tung mögen diese Gläser zugleich als ein Beispiel jener
bewunderungswürdigen Geduld gelten, welche man den
wahrlich nicht geringen technischen Schwierigkeiten un-
serer Kunst in ihrer ersten Epoche entgegen zu setzen wußte.
So ist z. B. das Laubwerk, welches sich in den graziöse-
sten Windungen durch ihre Randbändcr schlingt, mit
Leichtigkeit und Freiheit aus Einem Stücke farbigen
Glases geschnitten, die Mosaik dagegen auf das Müh-
samste aus winzigen bunten Hüttengläsern, mittelst un-
zähliger Bleizüge, zusammengesetzt. Bei Letzterer scheinen
übrigens orientalische Muster, dergleichen auch die roma-
nische Sculptur für ihre Ornamentik ausbeutete, zu
Grunde gelegen zu haben.

Fast gleiches Alter und ganz ähnliche Behandlungs-
weise stellt den Glasmalereien.von St. Denis vier by-
zantinisch-rundbogige Fenster im halbkreisförmigen Thcile
der Kathedrale von Bourges an die Seite. Dieselben
Motive wiederholen sich in den ihnen gemeinsamen brei-
ten und das ganze Tableau umsäumenden Friesen; hier
wie dort begegnet man jenem schwunghaften Laub- und
Zweiggewinde, jenen arabesken Ornamenten; und selbst

in dem Muster des Mosaikgrundes, von welchem sich
die mannigförmig eingerahmten Medaillons kräftig ab-
hebcn, ist eine Ähnlichkeit beider kaum zu verkennen.
Daneben verratheu sie in gleichem Maße die zunehmende
Hinneigung unserer Kunst zum anmuthigen Farbenspiele
orientalischer Stoffe, und besonders zur Nachahmung
alter persischer Tapisserie. -

Faßten wir nun auch das 12tc und I3te Jahrhun-
d.ert zu gemeinsamer Betrachtung in eine und dieselbe
Epoche zusammen: so darf doch hieraus nicht gefolgert
werden wollen, als bestände zwischen den Schöpfungen
beider kein merklicher Unterschied.

Im 12ten Jahrhundert zeigen sich die Akanthuse und
Lvtuse in den Bordüren schneckenförmig zusammengcrollt
und in anmuthige Windungen geschlungen, wie auf by-
zautinischen Sculpturen, denen sie auch nachzuahmen
scheinen. Zum Beweis des Letzteren dürfte wohl ein
aufmerksamer Vergleich des rechts und links vom nörd-
lichen Portale der Kirche zu St. Denis gemeißelten
Blumenwerks mit den Glasbilderbordüren in der dor-
tigen, unter Leitung des Herrn Depret rcstaurirtcn
Kapelle an der Abside genügen.

Allein, wenn wir einerseits eine solche Aehnlichkeit
in den Motiven der Fenstcrmosaiken des 12ten und l3tcn
Jahrhunderts und den mannifaltigcn Zierrathen an den
Außenseiten ältester Kirchen zugestehen, sind wir doch
nicht mit den Folgerungen einverstanden, welche man
sonst hierauf gründen möchte. Da sich nämlich die Fcn-
stermalerei jener Zeit in allerlei netzartigen Desseins von
der verschiedensten Gestaltung, bald rautenförmig, bald
sechskantig, bald mancher Art gegittert, bald viergeblät-
tcrt und bald in allerlei Rosenform, gerade so wie die
byzantinische Sculptur, zu gefallen pflegt: ist man ge-
neigt, jene gleich dieser um so eher für eine Ueberliefe-
rung des Orients zu halten, als das erste Auftreten
beider fast ein gleichzeitiges gewesen. Diese Annahme
nun, so lange sie durch keine besseren Beweise unterstützt
wird, scheint uns doch allzu gewagt, wogegen wir an-
dererseits bereitwilligst einräümen, daß unsere Kunst im
Allgemeinen nicht frei geblieben von Einwirkungen der
byzantinischen, durch lokale Bedingnisse modificirten
Sculptur.

Im 13ten Jahrhundert dagegen, insbesondere wäh-
rend der Kreuzzügc, läßt sich in Mosaik, Feldercinthei-
lung, Bordüren und Arabesken der Glasmalerei eine
offenbare Nachahmung orientalischer Stoffe gar nicht
verkennen, und der hohe, durch zwei, drei auch vier
Fensterstäbe gegliederte Spitzbogen eignete sich trefflich
zur Aufnahme dieser langen, nach alten Tapetcnmustern
mit tansendfarbigen Medaillons besäten Bänder. Noch
augenfälliger stellt sich dieses Anschlicßen an fremde
Vorbilder in seinen Erstlingsversuchen auf den schon
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