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So nahete der heutige Tag heran, der Todestag des
gefeyerten Künstlers, der unter der Last bewegender Ver-
hältnisse sich zu einer Größe aufgeschwungen hat, die ihm
die Bewunderung aller Zeiten sichert. Schon seit mehre-
ren Jahren hat der Verein, der seinen Namen führt, die
schöne Sitte beobachtet, am Morgen des 6ten Aprils oder
am Morgen des Johannistages, an welchem die Einwohner
Nürnbergs die Gräber der Ihrigen mit Blumen zu schmücken
gewohnt sind, an Dürers Grabe sich zu versammeln, es
mit Kränzen zu umwinden und zu seinem Gedächtniß ein
Lied abzusingen. Was in andern Jahren als sinnige Feper
ansprach, das konnte dießmal um so weniger unterbleiben.
Man versammelte sich in Albr. Dürers Haus und zog in
geordneten Reihen Morgens gegen sechs Uhr auf den Kirch-
hof St. Johannis; ein Lorbeerkranz schmückte Albr. Dü-
rers Grab und unter musikalischer Begleitung ward in
feperlicher Erhebung und Rührung das Lied abgesungen:

Im Schlummer ruht »och rings die Welt;

Auf Stadt und Land und Wald und Feld
Lieg» heilger Grabesfrieden.

Das mitternächtige Dunkel sinkt.

Das Lied der Auferstehung klingt:

„Erwacht vom Schlaf, ihr Müden!

Jesus Christus ist erstanden!

Grabesbanden
Fesseln Keine»!

Gott wird ewig uns vereinen!“

Das Wort, bas trostreich Allen klingt.

Aus tiefster Seele heut' es dringt
Hier an geweihter Stätte
Dir. der weit über Grabeskluft
Mit inacht'ger Stimme heut' uns ruft
Zu seinem Ruhebette.

Großer Meister > bist erstanden!

Grabesbanden.

Fesseln Keinen!

Gott mag uns auch Dir vereinen!

Wie hell leucht't uns dein reines Licht!

Wir hören, was dein Mund uns spricht.

Wir wollcn's treu bewahren:

„Eins ist, was Gutes wirkt und schafft
Zu jeder That lebcud'ge Kraft.

Einheit schüzt vor Gefahren G
Großer Meister! Bist erstanden.

Erdenbanden
Fesseln Keinen!

Dein Tag soll uns ewig eine» !

Keiner stand an Dürers Grabe ohne tiefe Rührung,
ohne erhebende Begeisterung, und viele der Anwesenden
konnten sich nicht enthalten, zum bleibenden Andenken, ein
Blättchen aus dem Lorbeerkranze, den das Grab, auf wel-
chem er ruhete, mehr schmückte, als er selber zu schmücken
vermag, zu brechen und als heilige Reliquie aufzubewah-
ren. Wir hätten gewünscht, daß nunmehr durch eine kurze
Rede das Andenken des in bessere Welten Hinübergangenen
wäre verherrlichet worden, allein der Zug entfernte sich

von Dürers Grabe, es wurde um Pirkheimers Grab, die-
ses vertrautesten Freundes von Dürer, in der Geschichte
Nürnbergs ausgezeichnet als Gelehrter und Staatsmann,
ein Kreis geschloffen und Hr. 0r. Campe sprach an seinem
Grabe die Worte:

Dreh Seoul» sind es an dom heut'gen Tage,

D» tönte wchmuthsvoll Pirkheimers Klage
Um Dürer, seinen treuen Freund,

Den in der Kindheit Morgen er gefunden.

Mit dem er eng durchs Lebe» blieb verbunden.

Ja selbst im Tobe blieb vereint.

- Sie winke» uns, die zwey, aus weiter Ferne,

Sie leuchten uns als hohe Doppelsterne
Und Vellen uns die rechte Bahn:

Denn wenn sich Kunst und Wissenschaft verbinden, ’

So wird man leichter Höheres ergründen.

Und sich getrost dem Ziele nah».

Drum könnten wir von Albre chts Gruft uns wenden
Und Wiliba.ld den Morgengruß nicht senden.

Ihm, unsres Meisters zweytcm Ich? —

O nein, o ncin, bas sehe von uns ferne!

Erwacht zugleich, ihr edlen Doppelstcrne,

Weil einer nie vom andern wich.

Der Himmel selber schien über diese Feper sich zu
freuen, denn während die ganze vvrausgegangene Nacht,
ja auch den ganzen Tag hindurch der Himmel mit trüben
Wolken bebewo war uno Schnee und Regen fiel, so drang
gerade um 6 Uhr die Sonne durch den trüben Schleper
und beleuchtete die rührende Scene.

Der übrige Tag wurde, als der erste Ostertag, in
der Stadt mit christlicher Stille begangen und war einzig
der religiösen Feper bestimmt. Abends aber wurde zur
Vvrfeyer des morgigen Festes der Grundsteinlegung
ein großes Oratorium im Rathhaussaale, in welchem die
oben genannten Transparentgemälde aufgestellt sind, gege-
ben, Christus der Meister, von -Friedrich Schneider.
Die Aufführung geschah unter des Componisten persönlicher
Leitung; das Orchester war reichlich besezt; selbst aus den
benachbarten Städten waren Musikfreunde zur Mitwir-
kung herbepgeeilt; die hiesigen Musiker, an ihrer Spitze
Herr Musikdirektor Blumröder und Herr Buchhändler
Mainberger hatten weder Fleiß noch Mühe gespart, und
so wurde das tiefgedachte, sinnvolle Meisterwerk mit einer
seltenen Vollständigkeit und Präzision ausgeführt. Ein so
reichlicher Besuch, daß der Saal die Herbeystrvmenden
bep weitem nicht alle fassen konnte, die gehaltenste Auf-
merksamkeit und ein rauschender Bepfall am Ende der
Aufführung belohnten reichlich die Anstrengungen, welche
für die würdige Darstellnng dieses Oratoriums gemacht
wurden.

Es scheint mir hier der passendste Ort zu einer kur-
zen Beschreibung der Transparentgemälde. Sie waren
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