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selbstständigen geleistet worden, überschaut, so wird man sie
immer gerne als eine solche gelten lassen.

Was nun die Landschaften der altern Historienmaler
betrifft, so muß freylich dabey ans einen Umstand Rücksicht
genommen werden, welcher die technische Fertigkeit in die-
ser Gattung der Malere» angeht. Diese leztere ist erst
in einer etwas später» Periode auf ihren höchsten Punkt
getrieben worden,, und also beu jenen große» Geschichtmalern,
welche dieser Periode vorangegangen,' nicht anzutreffen.
Daher wird man in einer Landschaft Rafaels, was Farbe,
Luft, Glanz rc. betrifft nicht die Vollendung eines Claude
suchen. Um also gleich bey Rafael zu verweilen, so müßte
er eben nicht Rafael sep», wenn wir nicht auch aus seinen
Landschaften wieder seinen unerreichbaren Genius hervor-
strahlen sähen, der ihm vor allen Sterblichen zu Theil
wurde. Zwar hat dieser Meister aller Meister sich der
Landschaft in keinem seiner Werke ausschließlich gewidmet;
wir finden aber in vielen seiner Compositionen die land-
schaftlichen Umgebungen und Hintergründe mit so viel
Liebe und Sinn behandelt" und so bedeutend hervorgeho-
ben, daß auch dieser Theil seiner Werke in die höchste Be-
trachtung kömmt. Es , ist aber der Charakter in Rafaels
Landschaften durchaus von jenem der historischen Ausgabe
bestimmt, welcher sie zur Scene dienen, und deren Sinn-
Geist und Bedeutung sie in sich ausnehmend wieder zu-
rückstrahlen. Wie herrlich ist nicht in vielen Marienbil-
dern dieses Künstlers jener unbeschreibliche Ausdruck sanfter
Ruhe und heiliger Stille, den die Figuren athmen, auch
in der Landschaft wiederholt, so daß wir fühlen, wie ein
leises Echo von dem, was unser Gemüth bewegt, in die-
sen Hintergründen nachklingt! Dev andern Werken von
nicht so sanfter Natur, z. B. in seiner Pest, dem Michael,
dem Georg, hat Rafael den Charakter seiner Aufgabe eben
so meisterhaft in die Landschaft überzutragen verstanden.
In seinem architektonischen Beywerke entfaltet dieser
Bildner oft die ganze Pracht seines Geistes und den un-
nachahmlichen Geschmack in der Wahl und Gruppirung so
schöner als charaktervoller Massen und Formen. Die wahre
Schatzkammer der schönsten landschaftlichen Scenen dieses
Lieblings der Musen sind seine Gemälde in den Logen.
Sic sind ganz in jener Stimmung des Gemüthes ausge-
führt, zu welcher uns die Lesung jener Bücher der heili-
gen Urkunde zu erheben pflegt, und alle jene großartige
Heiterkeit, jener Ernst des Bewußtsevns, jenes bedeu-
tungsvolle Ahnen der mit dem Menschen verkehrenden
Gottheit ist darin abgespiegelt, welches die Betrachtung
jener Handlungen in dem empfänglichen Geiste erweckt.

Aus diese Weise hat also Rafael' der Landschaft durch-
aus schon historischen Charakter gegeben, wenn gleich die

Vollendung in dem Technischen dieses Theileö der Malcrey
einerseits noch einer später» Zeit aufbehalten war, und an-
derseits jener Künstler sich bey seinem eigentlichemBernfe
unmöglich so ausführlichen Studien des Einzelnen in der
Landschaft widmen konnte, um eine solche Vollendung zu
erreichen. Aber gleich an ihn'schon reiht sich ein Meister,
welcher neben dem Charakter nun zugleich auch dem Effekt
und der Farbe in der Landschaftmalerey einen ungeheuren
Schwung gab. Ich meyne unfern-Tizian, von welchem
es genügt, statt so vieler nur allein jenes herrliche Bild
des Martvrthums der zwei) Mouche zu nennen, welches in
der Kirche S. Giovanni e Paolo zu Venedig alle Kenner in
Erstaunen sezt durch das Erhabene, Feyerliche, Impo-
sante deS Charakters sowohl, als die Kraft, Wärme und
Tiefe des Colorites. Im Sinne Tizians wurde von- sei-
ner ganzen Schule, und besonders von Mnziano fort-
gewirkt.

Wie gleichzeitig mit,Rafael die Landschaft -von un-
serm Dürer behandelt wurdb, verdient, wie alles, was
von diesem tiefen Geiste kömmt, unsere höchste Aufmerk-
samkeit. Auch diesem Meister war es vorzüglich um eine
charakteristische Versinnlichung seiner Hauptidee durch die
landschaftlichen Bepgaben zu thun. Aber dabey treten seine
Eigenthümlichkeiten grell und entschieden hervor; so

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ner sein acht deutsches Behagen an Felsen, Wäldern, Bur-
gen rc. und einem rauhen Ernste der Scenen überhaupt.
Höchst bedeutend zeigt sich in seinen Landschaften sein nach
zwei) entgcgengesezten Richtungen hin inö Unendliche stre-
bender Geist. Denn einerseits sucht er gleichsam aus ei-
nem visionären Standpunkte eine ganze Welt von Gebür-
gen, Meeren, Wäldern , Städten, Seen, Flüßen rc. in
seine Hintergründe zusammen zu drangen, und ander-
seits bildet er mit rührender Sorgfalt und eisernem Fleiße
jedes Blümchen, jeden Grashalm in dem Vorgrunde bis
in das Einzelnste, niit tiefem Naturgefühl und durch-
,herrschender Bedeutung aus. So vereinigt dieser Mei-
ster oft auf demselben Bilde einen Hang zur Behandlung
dessen, was man das Stillleben zu nennen pflegt, zugleich
mit der Versinnlichnng der großärtigstcn und-kühnsten
Ideen, die seine Hauptaufgabe beherrschen.

In einem ähnlichen Sinne wie Dürer haben Leo-
nardo und einzelne ältere Lombardei; und Deutsche, wie
z. B. Salainv, Altorser u. a. die Lafidschaft behandelt.
Sie erheben sich auf einen visionären Standpunkt, und
setzen die wunderbaren Kräfte der mystischen Symbolik
inö Spiel, um den Eindruck der Figuren durch ver-
wandte Gegenstände verdoppelt in das Gemüth zurückzn-
strahlen.

(Die Fortsetzung folgt.)
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