Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
i36

duten zu geben. Allein was so viele der Werke dieses
Meisters zur höchsten Schönheitsgattung erhebt, das liegt
in dem großen und kühnen Geiste, mit dem er begabt war,
und welcher ihn bei) seinen Studien stets auf das Bedeu-
tungsvolle, Großartige und Erhabene hinlenkte. Da zu
dieser Gabe nun noch eine höchst reiche Phantasie, und
höchst gründliche Uebungen hinzukamen, so vereinigt Dughet
das Reiche, Prächtige und Wahre, mit dem Bedeutenden.
Indem also das Wahre in seinen Werken unfern Ver-
stand, und das Füllige und Mannigfaltige unsere Sinne
befriedigt, wird das Gemüth für das Bedeutende, für
den Gesammtcharakter, und die ethische Wirkung um so
empfänglicher gemacht.

An diePoüssins schließt sich Milet au, dessen Haupt-
streben mehr "auf imposante, wohlgeordnete Massen geht,
als auf bestimmte historische Charakterisirung, Was die-
sen Künstler noch besonders auszeichnet, das ist seine mei-
sterhaft behandelte Auseinandersetzung der Raume, und
Heranführung des Vorgrundes durch ein besonders glück-
liches Gefühl für alle Nüanxen der perspektivischen Linien.
Ueberall leuchtet dabe» die höchste Empfänglichkeit für das
Großartige in der Natur hervor, und die Gründlichkeit
seiner Studien gibt seinen Werken eine Wahrheit des Ein-
zelnen, die uns mit dem etwas Gesuchten in der Zusam-
menstellung wieder versöhnt.

. Rubens hat in den Werken, worin er sich in der
überschäumenden Fülle seiner Kraft, der Landschaft aus-
schließlich widmet, meist auf historischen Charakter verzich-
tet, und eine zunächst mehr sinnliche Wirkung bezielt.
Gleichwohl liegt dabe» oft eine tiefere Bedeutung im Hin-
tergründe. Denn wenn gleich die in den Landschaften
dieses Malers ins Spiel gcsezten Motive meist ans den
Beschäftigungen des Landvolkes, den jovialen Genüssen
des Landlebens/ und den malerischen Effekten der Natur-
phänomene gegriffen sind, so erweckt doch die Gesammt-
wirkung oft jenes Gefühl unaussprechlicher Heiterkeit, und
des großartigen Seelenfriedens, der ein Erbtheil sinniger
Landbewohner ist. Dabei) ist Rubens auch in der Be-
handlung dieser Gattung so originell und genial, daß sich
in die Betrachtung seiner Landschaften ein freudiges An-
stauncn seines kühnen, feurigen, gewaltigen Geistes
mischt, welches für das Gemüth etwas Erhebendes hat.

Von der bolognesischen Schule ist die Landschaft nicht -
minder auf das glücklichste und trefflichste behandelt wor-
den, sowohl dort wo sie als bloße Zugabe erscheint, als ■
dort wo sie besondere Aufgabe der großen Meister dieser
Schule war. Die praktische Fertigkeit und das gründliche
Wissen , welches diese Schule neben andern klassischen Ei-
genschaften auszeichnet, leuchtet auch aus- ihren landschaft-

lichen Werken hervor. Wie trefflich steht nicht bey den
Caracci's der Charakter der Scene mit dem der Hand-
lung in Einklang, und wie herrlich hat nicht Zampier i
seine historischen Bilder mit landschaftlichen Umgebungen
ausgestattet, welche so ganz auf die Erhöhung und Con-
centrirung des bezweckten Gesammteindruckes berechnet
sind. Dort wo die erstern ausschließlich als Landschaft-
maler auftreten, ist übrigens ihr Hauptstreben vorzüglich '
eine gefällige Zusammenstellung schöner Massen, und sie
suchen mehr eine Fülle des Angenehmen, als eine Aus-
wahl des Bedeutenden zu geben. Ihr Streben hat viel
Gleichartiges mit dem des Rubens und Milet. Wenn
die Anlage des Ganzen bey ihnen auch nicht in dem küh-
nen Schwünge des erstern hingeworfen ist, so wissen sie
doch auf ähnliche Weise die Reize und die Fülle der Natur
angenehm in Wirkung zu setzen; mit Milet aber ist ihr
Streben durch den Geschmack in der Allstheilung der
Räume und der Führung der Linien verwandt, doch
sind sie reicher, getreuer und-mannigfaltiger als dieser.

Do minichino nähert sich in Vielem dem Clau de;
Verschmelzung der Farbe, Zierlichkeit der Formen, eine
höchst geschmackvolle Gruppirung einer Fülle von Ge-
genständen, zeichnen viele seiner Werke aus, die auf das
Studium des Schönsten in der Natur gegründet sind.

Wir wurden aber auf den Landschaftmaler hingewie-
sen, der für den Repräsentanten seines Faches gilt, und
ohne Zweifel hat auch Claude in Ton, Farbe und Wir-
kung den höchsten Gipfel in diesem Fache erreicht. Es
fragt sich, ob er nicht in dem Bedeutenden und Charak-
teristischen von beyden Poussins übertroffen wurde? Ich
glaube allerdings, und zwar aus dem einfachen Grunde,
weil er von der Natur nicht mit einem so tiefdenkenden,
philosophischen Geiste begabt war als seine Nebenbuhler. Der
größte Theil der Werke Claude's gehört jener zwevtcn
Gattung des Schönen an, welche auf einem harmonischen
Zusammenwirken schöner Massen und Formen beruht.
Diese Werke sind daö Ergebniß einer glücklichen, und
höchst geschmackvollen Wahl und Gruppirung trefflicher
Studien nach der herrlichsten Natur; Ebenmaaß, Eleganz
und Anmuth der Formen und Umrisse, sind nirgends in
diesem Grade anzutrcffen, Aber einen bestimmtern histo-
rischen Charakter, oder eine tiefere ethische Bedeutung
hat dieser Künstler nicht so anschaulich zu machen gewußt
als Poussin, und einige andere. Es zeigt sich zwar in vie-
len seiner Werke, ein Streben nach jener höchsten Gattung
des Schonen; aber dieses Streben ist durch jedes nach
dem sinnlich Angenehmen stets- überboten.

(Der Beschluß folgt.)
Register
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen