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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 10.1899

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Joseph, D.: Charles van der Stappen's Werke in Silber und Elfenbein auf der grossen Berliner Kunstausstellung von 1898
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https://doi.org/10.11588/diglit.4879#0010
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CHARLES VAN DER STAPPEN'S WERKE IN SILBER UND ELFENBEIN

Brüsseler Goldschmied
Hoesemans gefertigter
silberner Tafelaufsatz zur
Aufnahme von Blumen,
eine Jardiniere. Schwung-
volle Linien bilden die
Grundform des Behäl-
ters. Der Umstand, dass
die innere und äussere
Wandung in der Linien-
führung abweichen, ver-
leiht dem Ganzen noch
mehr Bewegung. Das
harmonische Gleichge-
wicht wird jedoch her-
gestellt durch vier weib-
liche Gestalten, deren
Oberkörper entblösst ist;
sie bedeuten die Perso-
nifikationen der Tages-
zeiten.

An einer Langseite
erkennen wir den Mor-
gen (Abb. S. 4), eine weib-
liche Gestalt, die im Be-
griff ist sich zu erheben.
Ihre Attribute bilden
Hahn und Pfau, letzterer
in leicht verständlicher
Beziehung das Leitmotiv

für den tierfigürlichen Schmuck der äusseren Um-
fassung des Beckens darstellend. Darüber hinaus
bietet dieser Vogel mit seinem mächtigen Schweif
praktisch den Vorteil einer erwünschten Flächendekora-
tion, was van der Stappen ganz vortrefflich zu nützen
verstand. Die Frauenfigur an der folgenden Schmal-
seite versinnbildlicht uns den Mittag (Abb. S. 3). In
knieender Stellung an
den Rand des Beckens
gelagert, auf das sie sich
mit der Linken stützt,
fasst sie sich mit der
Rechten an die Stirn, wie
um den in die Sonne ge-
richteten Blick vor deren
Strahlen zu schützen. Zu
beiden Seiten kosende
oder sich putzende Vögel.

Die zweite Langseite
zeigt uns die Personifika-
tion des Abends (Abb.
S.7). Diese Figur scheint
mir am gelungensten;
lässig sitzt sie am Rande,
träumerisch" ist der Ge-

Porträi Charles van der Staiten's

Gürtelschnalle von Charles van der Stappen.

sichtsausdruck, eine
charakteristische bildne-
rischeVeranschaulichung
desdolcefarniente. Aller
Zauber und Reiz der
Abendstunde hat sich in
dieser Gestalt verkörpert.
Vervollständigt wird das
hübsche Bild noch durch
zwei Katzen, die sich an
das Gewand anschmie-
gen und denen man das
durch die Reibung ent-
stehende Wohlgefühl an-
zumerken glaubt.

Dem Mittag ent-
spricht an der anderen
Schmalseite die Nacht;
sie ist versinnbildlicht
durch ein zusammenge-
kauertes Weib, in deren
Rücken sich eine Eule
krallt. Zu beiden Seiten

schlafende Schwäne.
Ruhe und Friede sind die
Signatur dieser Gruppe.
An den Ecken er-
scheint ein neckisches
Motiv. Wir sehen jedes-
mal einen Putto, wie er
im Begriff ist einen Pfau zu greifen, oder wie er ihn
bereits am Halse gefasst hat.

Wie die Figuren herausgearbeitet sind, muss
unsere höchste Bewunderung herausfordern, selbst in
dem kleinen Massstabe erscheinen die Proportionen
der Körper ebenmässig; die Anatomie ist meisterhaft
wiedergegeben. Besonderes Geschick verrät der Künst-
ler in der Treffsicher-
heit, das Wesentliche und
Charakteristische in den
Tierfiguren darzustellen.
Die Komposition lässt m.
E. nichts zu wünschen
übrig, keine Figur sieht
deranderen ähnlich,keine
Bewegung ist der anderen
vergleichbar und doch
wirkt das Ganze harmo-
nisch und wie aus einem
Guss.

Nicht ganz so voll-
endet ist der Eindruck,
den man beim Anblick
des grossen Tafelauf-
satzes der Stadt Brüssel
 
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