Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 10.1899

DOI Artikel:
Matthiesen, Oscar: Die Freskomalerei
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4879#0131
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE FRESKOMALEREI

VON MAI ER OSCAR MATTHIESEN (KOPENHAGEN)

Umrahmung, gezeichnet von Ed. Liesen,
Berlin.

DIE Freskomalerei ist von jeher wohlbekannt. Wir begegnen ihr
in ägyptischen, etrurischen und römischen Altertümern. Auch in
Griechenland war sie allgemein, es ist uns aber von derselben nur
so wenig übrig geblieben, dass unsere Kenntnis der griechischen Fresken
nur gering ist. Die grösste Vollkommenheit erreichte die Freskomalerei in
Italien, als das Altertum sich seinem Schlüsse näherte, so wie sie aus den
Ruinen von Pompeji und Herkulanum zu ersehen ist. Diese Städte wurden
bekanntlich siebzig Jahre nach Christi Geburt zerstört.

Im christlichen Mittelalter gerieten die Kunst und die Technik der
Freskomalerei in Vergessenheit; die Temperafarbe und die geschmeidige
Ölfarbe führten andere Ideale vor; zur Zeit Raphael's kamen dann die so-
genannten Thermen des Titus ans Tageslicht. Man spürt den starken Ein-
druck, den diese Entdeckungen machten, besonders in Raphael's Loggien.

Im Jahre 1753 begannen die Ausgrabungen von Pompeji und mit
ihnen das Grübeln darüber, wie die Pompejaner es gemacht hätten, eine
so herrliche Malerei herzustellen. Man hat in Bezug auf jede Art von
altertümlicher Technik, welche man nicht zu erklären vermocht hat, die
Meinung ausgesprochen, sie wäre enkaustisch, d. i. die Farben wären mit
Wachs behandelt. Dies ist ein Irrtum, was die pompejanischen Fresken
betrifft. Die Altertumsforscher, Chemiker ^und Techniker widersprechen
sich gewöhnlich untereinander in diesen Forschungen, weil sie beständig
Tempera- oder Wasserfarben im Kopfe haben, wenn sie die Untersuchungen
beginnen. Selbst Vitruvius, welcher doch sonst das Orakel aller Bauver-
ständigen ist, lässt sich von ganz untergeordneten Dingen dazu verleiten,
viele altertümliche Fresken als Tempera- oder enkaustische Gemälde an-
zusehen. Diese Art zu malen lässt sich jedoch nur auf trockenem Kalk-
grunde ausführen, während alles darauf deutet, dass die Fresken des
Altertums auf nassem Kalke ausgeführt sind.

Man sieht, dass die Zeichnungen zum Dekorieren der Wände durch
Kalkieren in den weichen Kalk eingedrückt sind — sonst müssten sie ein-
geritzt sein —, man sieht die nämlichen Eindrücke im Kalke als Hilfsmittel
und zur Einteilung der Felder, man sieht den Verputz in Ecken oder Feldern.

Hätte sich in den Farben irgend ein Bindemittel befunden, z. B. Leim
oder Wachs, Eiweiss, Feigensaft oder Casein, wären sie ohne Zweifel zer-
stört worden, als sie von der glühenden Lava oder dem Aschenregen ver^
schüttet wurden.

Wenn wir ein Stück pompejanischen Freskoputz untersuchen, gleich
nachdem es ausgegraben ist, finden wir nichts weiter als Farbe, Kalk und,
dem letzteren beigemischt, zerquetschte Lava oder Sand. Es ist ihre krys-

19*
 
Annotationen