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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 10.1899

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Joseph, D.: Charles van der Stappen's Werke in Silber und Elfenbein auf der grossen Berliner Kunstausstellung von 1898
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https://doi.org/10.11588/diglit.4879#0017
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CHARLES VAN DER STAPPEN'S WERKE IN SILBER UND ELFENBEIN

Onyx des Sockels, das hellgetönte Goldgewand, der
sphynxgekrönte Helmschmuck, die feine Struktur des
Elfenbeins, das alles hat des Meisters Hand in rechter
Harmonie zusammenklingen lassen. Uns ist, als
wollten wir ergründen, was von Gedanken in diesem
Kopfe verborgen liegt, doch zu gleicher Zeit er-
kennen wir, dass unser Mühen und Trachten ver-
gebens ist, denn unergründlich ist die Sphinx.

Ich weiss nicht,
ob ich von anderen
Beobachtern darin
Unterstützung er-
halten werde, mir
selbst ist jedoch
diese Büste als das
Bedeutendste der

Elfenbeinwerke
van der Stappen's
sowie der belgi-
schen neuern El-
fenbeinplastik
überhaupt erschie-
nen. Der Meister
selbst ist geneigt,

seiner anderen
grossen Elfenbein-
arbeit den Vorzug
zu geben, inzwi-
schen ist noch
manches Wort der
Kontroverse zwi-
schen uns gefallen,
allein eine Ver-
ständigung ist hier-
über nicht erfolgt.
In einer Beziehung
nur hat seine „Be-
siegerindes Bösen"
(Abb. S. 15) den
ersten Rang inne,
d. i. darin, dass
diese Figur in vol-
ler Gestalt er-
scheint, so dass
Sockel und Figur
1,50 m messen. Eine weibliche Figur steht kerzengerade
da, die hocherhobene Rechte hält das dornenbekränzte
Schwert, die Linke ist beschwichtigend oder abwehrend
nach unten gerichtet, das liliengeschmückte Gewand mit
dem darübergelegten Panzer fällt in schweren, langen
Falten herab. Die Gestalt steht mit beiden Füssen fest
auf dem Kapitell einer gedrungenen Säule, an welcher der
hinabgeschleuderte Genius des Bösen hinuntergleitet.
Dieser hat eine unverkennbare Ähnlichkeit mit dem vom
heiligen Michael verfolgten Satan vom Tafelaufsatz der

Kunstgewerbeblatt. N. F. X. H. 1. ----------------

Die mysteriöse Sphinx. Elfeiibeinwerk von Charles van der Stappen

Stadt Brüssel. Der Böse stürzt in den Abgrund, wo
ein schreckliches Drachenungeheuer sein Unwesen
treibt und Schlangenleiber sich entlang recken. Man
kann es selbst dem Bösen nicht verargen, wenn er
eine solche wenig einladende Gesellschaft nicht anders
als gezwungen aufsucht. Diesen Gedanken hat der
Künstler auch in der Komposition treffend zum Aus-
druck gebracht, in dem der in den Abgrund Stürzende

sich noch im Fallen
mit einer Hand
auf den Drachen-
kopf stützt, um die
Gefahr thunlichst
abzuwehren oder
doch zu verringern,
während er sich
mit der anderen
Hand an den Kopf
fasst, als wolle er
denselben vor Ver-
letzung schützen.
Das Material dieses
Teiles ist Silber,
erst darüber erhebt
sich ein Onix-
sockel. Das Ganze
bedeutet eine Illu-
stration zu dem
Werke: In hoc sig-
no vinces. Dieses
Werk bildete den
Hauptgewinn von
100000 Frs. der
BrüsselerWeltaus-
stellung von 1897,
wobei allerdings in
Betracht gezogen
werden muss, dass
das Schwert mit
Edelsteinen reich
besetzt war.

Mit den gegen-
wärtigen Ausfüh-
rungen ist eigent-
lich nurangedeutet,
was Charles van der Stappen auf dem Gebiete der
dekorativen Kunst und der Elfenbeinplastik geleistet hat,
es enthüllt sich darin ein gut Teil seiner schöpferischen
Kraft und seines grossen Könnens. Man würde den
Meister aber vollkommen unzureichend, ja falsch beur-
teilen ohne die Kenntnis dessen, was er auf dem Felde
der grossstatuarischen Plastik geschaffen hat und wo-
von gleichfalls einige Proben (vgl. Abb. S. 5) auf der
diesjährigen Grossen Berliner Kunstausstellung gegeben
sind. Hierübergedenke ich anandererStellezuberichten.
 
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