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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 10.1899

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Bötticher, Georg: Vorsatzpapiere
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https://doi.org/10.11588/diglit.4879#0030
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VORSATZPAPIERE

genanntes „marmoriertes" Vorsatzpapier. i3. Jahrhundert.

Sogenanntes „marmoriertes" Vorsatzpapier. iS. Jahrhundert.

und Renaissance zum Muster nahm, so konnte es nicht
fehlen, dass auch das Vorsatzpapier (gleich der Tapete)
den Charakter des Stofflichen möglichst nachzuahmen
suchte und dadurch endlich (wiederum wie die Tapete)
sich dem Charakter des Papiers, das es doch schliess-
lich war und blieb, trotz allen Versuchen, es wie ein
Gewebe erscheinen zu lassen, gänzlich entfremdete.
Dennoch und obwohl dieser Weg schliesslich zu einer
Verirrung führte, haben wir der gedachten Richtung
in ihren Anfängen eine Reihe wahrhaft schöner, muster-
giltiger Vorsatzpapiere zu danken. Die besten der
sogenannten „Brokat-Papiere" können sich getrost
neben den besten Papieren früherer Stilepochen sehen
lassen. Fehlt es ihren Mustern vielleicht an der
frischen, naiven Linienführung, die die alten Muster
entschieden auszeichnet, so übertreffen sie diese
wiederum ganz bedeutend an harmonischer Farben-
und Formenverteilung und an Exaktheit und Delikatesse
der Ausführung. Auch das Anklingen an das „Ge-

webe" können wir nicht als eine Stilwidrigkeit an-
sehen. Stilwidrig ist nur, wenn man mit Hilfe von
aufgesetzten Schauem und Lichtern ein Vorsatzpapier
uns als wirkliches Gewebe vorzuspiegeln versucht,
eine Absicht, die man ja doch nie erreichen kann,
die man herausfühlt und die uns deshalb ästhetisch
verstimmt.

Die schliesslich in Manier ausartende Sucht, das
Vorsatzpapier stofflich zu verzieren, bewirkte den
ganz natürlichen Rückschlag, nunmehr nur den
Papiercharakter zu betonen. Leider war inzwischen
das Verständnis für die Verhältnisse und den Charakter
des Flachmusters unseren kunstgewerblichen Kräften
mehr und mehr abhanden gekommen. Auf dem Ge-
biete des Vorsatzpapiers betrachtete man Verkleinerungen
von Tapeten und Stoffmustern als das Zweckmässigste
und Passendste. So kamen denn, begünstigt durch
die immer zahlreicher auftauchenden mechanischen
Vervielfältigungsverfahren, immer winzigere und für
 
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