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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 10.1899

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Matthiesen, Oscar: Die Freskomalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.4879#0133
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DIE FRESKOMALEREI

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ganz anderes; denn der kohlensaure Kalk bindet die
Sandkörner zusammen und ist nicht auflöslich in
Wasser. Wir haben es also hier nicht nur mit einer
Neutralisierung des Ätzkalkes zu thun, sondern auch
zugleich mit einem äusserst bedeutungsvollen Binde-
prozess.

Das nämliche Mittel aber, welches die Sandkörner
im Mörtel zusammenbindet, wird zugleich das Binde-
mittel in der Farbe.

Die Farben, von denen man selbstverständlich
nur die in Wasser nicht auflöslichen, also nicht Anilin
oder dergleichen,sondern Erd-und andere Mineralfarben
anwendet, werden in Kalkwasser geschlemmt, welches

stören kann oder sich in Wasser auflösen lässt. Der
Mörtel ist dann in der That in einen Sandstein um-
gestaltet; er ist sehr hart geworden. Dies ist jedoch
nicht so zu verstehen, als ob er nicht mit Gewalt
zerstört werden könnte. Man kann die Farbe mit
einem Messer ritzen — dies ist als ein Einwand gegen
die Methode ausgesprochen worden —, dasselbe kann
man aber auch mit allen pompejanischen Fresken thun;
dies liegt in der Natur der Sache, und bessere Fresken
als die von Pompeji findet man doch wohl nicht. Das
wichtigste an der Sache ist, ob die Farben jede Tem-
peratur vertragen können, und meine Vermutung in
dieser Beziehung wird von hervorragenden Chemikern

Freskomalerei von Maler O. Matthiesen, Kopenhagen.

ja auch ein Kalkhydrat ist, und auf den nassen Putz
gemalt. Wenn das Bild fertig ist, wird ein Strom von
Kohlensäure über dasselbe hingeleitet, und die Ver-
wandlung des Kalkhydrats in kohlensauren Kalk be-
ginnt unverzüglich. Jedes einzelne, kleine Farben-
pigment, jedes Farbenkörnchen, wird dann mit allen
seinen Nachbarn nach allen Seiten hin mit dem
kohlensauren Kalk verbunden, man könnte sagen, in
ein kleines, kohlensaures Kalkkrystall eingekapselt.

Dieser Binde- und Neutralisierungsprozess setzt
sich durch die ganze Masse hinein fort; wenn diese
erst durchgehärtet ist, sind alle ihre Teile gleichartig
miteinander verbunden, und es findet sich dann in
dem Mörtel nicht das geringste, was die Farben zer-

unterstützt. Die Farben lassen sich nicht von dem Kalk-
mörtel trennen, weil sie einen Teil desselben, wenn
auch nur den äusseren, ausmachen; sie können weder
vom Regen noch vom Frost abgelöst werden. Ich
habe bemalte Mörtelproben, welche von Wasser durch-
drungen waren, einem Froste von zehn Graden aus-
gesetzt; ich habe sie auftauen lassen, langsam oder
am Feuer; diese Versuche habe ich oftmals wieder-
holt, und niemals zeigte sich irgend eine Veränderung
an den Proben, nachdem sie wieder getrocknet waren.
Es versteht sich von selbst, dass eine lose, von Wasser
durchweichte Kalkplatte ein gebrechliches Ding ist,
wenn sie so zwischen den Fingern gehalten wird; die
Sache wird ja auch eine ganz andere, wenn der Mörtel
 
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