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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 10.1899

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Hevesi, Ludwig: Die Wiener Secession und ihr "Ver Sacrum"
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https://doi.org/10.11588/diglit.4879#0149
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DIE WIENER SECESSION UND IHR „VER SACRUM«

mit Mühe noch retten konnte. Er gab sein Leben
für die Wahrheit hin. „Richtig" zu sein, das war
sein Streben, „richtig" sein Lieblingswort in den
vielen broschürenartigen Briefen, die er mir ge-
schrieben. Das war während seiner langen Kämpfe
gegen Juries, Kritiker und Publikum; selbst in einer
bitteren Flugschrift strömte er einmal seinen Groll aus.
Wie viele Jahre hatte er nur zu kämpfen, bis er es durch-
setzte, einmal „eine Sammlung ausstellen zu dürfen,
um den Weg zu zeigen, den ich gehe, wenn auch
das Ziel noch nicht erreicht ist". Das Ziel, wo lag
es? Courtens schwebte ihm noch als etwas Unerreich-
bares vor, obgleich er nicht daran dachte, ihn oder
irgendwen nachzuahmen. Auch Schindler nicht, dessen
praktischer Rat ihn schliesslich aus verworrenen Gä-
rungen auf den rechten Weg brachte. Publikum und
Kritik hatten damals noch sehr wehleidige Augen. Die
roten Esparsettefelder, deren weithin versprühten Purpur
Hörmann so gerne malte, wurden noch belächelt, der
„Buchenwald im Herbst" mit seiner Schicht von blut-
rotem Falllaub (später in der Münchener Secession ver-
kauft) wurde einfach verhöhnt. Erst in den zwei Jahren
vor seinem frühen Tode drang er durch. Seine kleine
„Pflaumenernte", deren Blau und Grün so herrlich von
Sonnenwärmeglüht, seine vielbewunderte„Reiflandschaft
bei Lundenburg", die eine Medaille erhielt, und sein
überwältigender Niederblick auf den schneebedeckten
Neuen Markt in Wien stellten ihn plötzlich in die erste
Reihe der Kämpfer. Wofür gekämpft wurde, das begann
die Menge erst dumpf zu ahnen. Als Hörmann's
Nachlass ausgestellt wurde, mit seinen Hunderten von
Naturstudien, alle vor der Natur prima fertig gemalt,
alle gleich unverbrüchlich und „richtig", gleich augen-
blicklich im Empfinden und selbst in der erfinde-
rischen Technik, da war Hörmann der Gefeierte.
Heute gilt er als der erste Secessionist. An seinem
Todestage legt die Secession stets ihren Kranz auf
seinem Grabe nieder. Sein kürzlich versteigerter Nach-
lass war in 2'/4 Stunden vergriffen.

Waldmüller und Hörmann — zwischen diesen
beiden Secessionen, die sich noch nicht zu benennen
wussten, hat sich die Kunst der Franz Josephs-Zeit
abgespielt. Zwischen zwei modernen Durchbrüchen
das Fortspinnen eines farbenreichen, halb antiqua-
rischen Traumes, ein Grillparzerisches „Traum ein
Leben", ein Rausch, eine Berückung, aus der man
schliesslich zur hellen Gegenwart erwachen musste.
Der Zeitpunkt war nachgerade unabweislich geworden.
Die Wogen der westlichen Bewegung schlugen bereits
so heftig an die im altitalienischen Renaissancestil ge-
arbeiteten Thürflügel unserer Kunstanstalten, dass sie
sie aus den Angeln rissen. Es ist kein Zufall, dass
die eingeschnurrte Wiener Kunst gleichzeitig von
zwei Seften her geweckt wurde. Die Erschütterung
rüttelte das Künstlerhaus und das Österreichische Mu-

seum wach. Aus der Künstlergenossenschaft löste sich,
unter begreiflichen Stürmen, die Gruppe der Secessio-
nisten los, und das Österreichische Museum erhielt in
Hofrat von Scala einen hochmodernen Direktor.
Glücklicherweise hatte Österreich wieder einmal, wie
im Jahre 1848, Minister, welche die Forderung der
Zeit erkannten. Im Kabinet Oautsch war Graf Vinzenz
Latour Unterrichtsminister, ein kunstverständiger und
kunstfroher Kavalier vom Schlage der Horace Wal-
pole, Caylus und Raczynski, dabei ein Moderner
von stark englischer Stimmung; und als er ging,
wurde sein Nachfolger Graf Bylandt, dessen hohe
Intelligenz die nämliche Bahn einschlug, heute die
einzige, die ein Ziel vor sich hat. Die Kabinette
Gautsch und Thun haben eine rettende That gethan,
indem sie die österreichische Kunst plötzlich aus der
Versumpfung hoben. War auch die That politisch
und volkswirtschaftlich nicht minder geboten, so
bleibt es doch anzuerkennen, dass diese Männer sich
durch einen Berg von angeerbten Vorurteilen, den
die Gegner nach Kräften zu stützen suchten, nicht
erdrücken Hessen. Auch unter ihren Mitarbeitern
gab es Männer, wie die Sektionschefs Freiherr v. Weck-
becker und v. Hartel, die dem modernen Gedanken
seinen praktischen Sieg erringen halfen. Aber auch
die jetzige Stadtverwaltung hat das Ihre gethan, um
den Dornenweg der Secession etwas gangbarer zu
machen. Unter dem Regiment des Bürgermeisters
Dr. Lueger wurde es möglich, dass die Secession
schon am 17. November 1897 durch Gemeinderats-
beschluss einen Baugrund zugewiesen erhielt. Das
Alitglied Architekt Joseph M. Olbrich arbeitete mit
jugendlicher Thatkraft die Pläne aus, am 27. April 1898
wurde der Grundstein des Gebäudes gelegt, und schon
sechs Monate später, 10. November, wurde es der
Gemeinde Wien übergeben. Während dieser Tag
und Nacht geförderten Schnellarbeit wurde aber auch
das Organ der Secession, die eigenartige Monatschrift
„Ver Sacrum" herausgegeben, deren Bilderschmuck
grösstenteils von Mitgliedern herrührte. Und im Zeit-
raum des Jahres 1898 veranstaltete die Secession drei
grosse Ausstellungen, deren erste, im Frühjahr, noch
in den Räumen der Gartenbaugesellschaft, die Herbst-
und Winterausstellung jedoch schon im eigenen Heim
stattfanden. Und bei alledem behielten einige Talente
der jungen Vereinigung noch Zeit, um die vorjährige
Jubiläums-Gewerbeausstellung im Prater durch mehrere
grossangelegte moderne Leistungen zu bereichern,
die wesentlich dazu beitrugen, dem Wiener Publikum
die Augen zu öffnen. Wenn man bedenkt, dass die
Secession ursprünglich nur neunzehn Mann hoch ins
Feld gerückt war, so ist dies eine Summe von Schaffen,
sozusagen aus dem Stegreif, die als bedeutende Kraft-
probe gelten mag. Auch hat dieses Schauspiel frohen,
zielbewussten Ringens das Publikum durchgreifend
 
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