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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 10.1899

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Hevesi, Ludwig: Die Wiener Secession und ihr "Ver Sacrum"
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https://doi.org/10.11588/diglit.4879#0159
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DIE WIENER SECESSION UND IHR „VER SACRUM«

Das Zeichen des Bundes; Studie von Alois Hänisch in München. (Aus Ver Sacrum, Bd. II, H. 3.)

berghe, das Haupt der Neo-Impressionisten, die übrigens
trotz der schriftlichen Beteuerungen Paul Signac's
dennoch Pointillisten sind. Man nehme ihnen ihre
Tüpfelkunst, und man hat ihnen ihre besondere
Wirkung genommen. In den beiden ersten Aus-
stellungen nahmen auch die einheimischen Künstler
einen breiten Raum ein und schlugen kräftig durch;
in der dritten überliessen sie das Feld fast ganz dem
Auslande, um ihren plangemässen Kurs der Anschauungs-
lehre fortzusetzen.

Als hochwichtig für die Zwecke der Secession
hat sich auch ihr Organ „Ver Sacrum« erwiesen. Die
unmittelbare Quelle für den Titel dürfte Uhland's Ge-
dicht „Ver Sacrum" sein, das den römischen „Weihe-
frühling" schildert und mit der Strophe endet:

„Ihr habt vernommen, was dem Gott gefällt.
Geht hin, bereitet euch, gehorchet still!
Ihr seid das Saatkorn einer neuen Welt,
Das ist der Weihefrühling, den er will."

Die Künstler, denen die Redaktion übertragen wurde,
hatten sich einen litterarischen Beirat zugesellt, der

aus zwei leitenden modernen Schriftstellern: Dr. Max
Burckhard, damals Direktor des K K- Hof-Burg-
theaters, und Hermann Bahr bestand. So verstärkt,
trat die Zeitschrift frisch und stark in den Kampf ein.
An Stoff zum Bekämpfen fehlte es wahrlich nicht, und
das Publikum stutzte anfangs nicht wenig über die
ungewohnte Schneidigkeit, mit der hier aller Verrottung
zu Leibe gegangen wurde. Das Publikum stutzte
überhaupt; denn „Ver S^acrum" war ihm etwas Nagel-
neues, eigentlich ohne Rücksicht auf den Beifall der
Abonnenten gemacht, lediglich ein künstlerischer Ge-
fühlsausdruck. Aber gerade das wurde seine Stärke.
Anfangs machte man sich über alles an dem Blatte
lustig, vom Format und den Farben des Umschlags
angefangen bis zum „Buchschmuck", über den Ernst
der Tendenz und die Aufrichtigkeit des Tones. Auch
vermisste man lebhaft die gewissen Sammethand-
schuhe, mit denen die Talentlosigkeit ja immer ange-
griffen werden will. Allein das ungebärdige Element
brachte die Luft in Bewegung und immer mehr Leute
begannen sich des Hauches von Frische zu freuen,
 
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