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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 10.1899

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Leisching, Julius: Die Entwicklung der Möbelformen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4879#0178
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DIE ENTWICKLUNG DER MÖBELFORMEN

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tive aus der Architektur und Steinmetzarbeit ein:
die scharfen Profile, sogar die «Wassernase", die
Fialen für die Bekrönung, das Masswerk für die
Füllungen. Es bereitet sich jene Herrschaft der
Architektur über den gesamten Hausrat vor, die
allen Stil- und Modelaunen folgend mit einer einzigen
kurzen Unterbrechung bis in die jüngsten Tage ge-

vertäfelt und mit einer festen Decke versehen wird,
und eigene kleine Fensterchen erhält, um die überall
abgesperrte Luft nur halbwegs durchstreichen zu lassen.
Auch der Tisch wird immer massiver, desgleichen der
mächtige Schrank, häufig aus zwei übereinander stehen-
den truhenartigen Kästen bestehend, deren Thüren trotz
des gewaltigen Fassungsraumes noch auffällig klein sind.

Krone füi elektrisches Licht, ausgeführt von Paul Stotz (Q. m. b. H.), Stuttgart.

waltet hat, eine nur vom Rokokostil zeitweise beseitigte
Herrschaft, welche neben zahlreichen prachtvollen
Schöpfungen unleugbar auch viel Unheil gestiftet hat
Sie war es, die zunächst, und zwar gerade durch
die Übertragung der Steinformen auf das Holz, die
Möbel immer unmobiler machte. Das Bett wird
gleich dem Kasten ein Bestandteil der Wandvertäfelung.
Es wird zur Stube in der Stube, indem es selbst
ringsum mit Ausnahme einer kleinen Einsteigöffnung

Das Ideal unseres modernen Mobiliars: Raum-
ausnützung bis zum hintersten Winkelchen, Licht und
Luft, Zierlichkeit und Beweglichkeit kennt das Mittel-
alter nicht. Das macht: der Möbel gab's auch damals
verhältnismässig noch immer wenige; es drohte kein
Ausziehtermin, kein Gesetz der Hygiene; Raumver-
schwendung war noch kein Luxus, das Staubtuch
nicht erfunden. Noch fehlte auch jenes Möbel, das
uns heute unerlässlich dünkt: der Waschtisch. Die

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