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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 10.1899

DOI article:
Schubring, Paul: Die Kunst im Buchdruck
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.4879#0192
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DIE KUNST IM BUCHDRUCK

185

KUNSTZEITSCHRIFT PAN

1898 VIERTER JAHRGANG ^98

JEDES VIERTELJAHR EIN HEFT
IM UMFANG VON MINDESTENS

SECHZIG SEITEN
MIT ZAHLREICHEN ABBILDUN-
GEN IM TEXT UND ACHT BIS
ZEHN KUNSTBEILAGEN WIE:
RADIERUNGEN
LITHOGRAPHIEN
HOLZSCHNITTEN
HELIOGRAVÜREN
LICHTDRUCKEN
ZINKOGRAPHIEN

PREIS DES JAHRGANGS 75 M.
EINZELPREIS EINES HEFTES

ZU BESTELLEN UND ZU BE-
ZIEHEN DURCH ALLE BUCH-
HANDLUNGEN DES IN- UND
AUSLANDES ODER DIREKT BEI
F. FONTANE & CO. VERLAG
BERLIN W. 35 LÜTZOWSTR. 84B.

Prospektzettel der Zeitschrift Pari, Druck von W. Drugulin;

Marke von Joseph Sattler.
Kunstgewerbeblatt. N. F. X. H. 10

Die deutsche Renaissance, die das gesamte deutsche
Kunstleben aus der Befangenheit zur Freiheit herüber-
führte, hat auch dem Buchdruck neue Bahnen er-
öffnet. Man kann nicht sagen, dass sie prinzipielle
Neuerungen sich erzwungen hätte — die alten Leit-
sätze waren zu selbstverständlich, um erschüttert zu
werden —, die Neuerungen liegen in der Fülle und
dem Reichtum der künstlerischen Zugaben. Zunächst
wird der sog. Schwabacher Duktus der gotischen
Zeit durch jene Schrift überholt, die als Fraktur das
deutsche Schriftwesen auf Jahrhunderte beherrschen
sollte, neben der für die lateinischen Werke die til-
tramontane Antiqua benutzt wurde. Dann bricht die
hohe Zeit des Ornaments an, an dem sich die Nürn-
berger Gross- und Kleinmeister mit immer neuer
Lust bethätigen. Kaiser Max ist es, der der Buchkunst
seine kaiserliche Zärtlichkeit zuwendet in einer Zeit,
die über Männer wie Dürer, Burkmair, Hans Baidung
Grien, Holbein, Cranach verfügt. Aus der Fülle einer
tiefgründigen Phantastik heraus schaffen diese Künstler
im Vollbild wie im Ornament in stets neuen Wand-
lungen, oft dermassen gesättigt von neuen Einfällen,
dass deren Reichtum und Fülle die früher so glück-
lich erreichte gleichmässige Verteilung der einzelnen
Tonwerte zu übersehen droht. Mit den gesteigerten
Leistungen wachsen die Ansprüche: Titelrahmen,
Randleisten, Druckermarken werden jetzt verlangt.
Während Burkmair und Holbein Schüler der italieni-
schen Buchdekoratoren genannt werden können, gingen
Dürer und seine Genossen ihren eigenen, selbständigen
Weg, bei dem das einheitliche Bild der Buchseite
nicht das eigentliche Ziel des Künstlers ist; ihm liegt
mehr an dem Reichtum, der Originalität, ja oft dem
Tiefsinn des Ornaments. Neben die sorgfältig vor-
bereiteten Drucke tritt die in Eile hergestellte Flug-
schrift, die aber doch auch des Titelschmuckes selten
entraten kann. Neben den alten Druckorten finden
sich in Basel und Wittenberg neue Offizinen; Luther's
Lebensarbeit ist von der G. Rhaw'schen Offizin un-
zertrennlich.

Es bleibt ein Ruhmestitel deutscher Kunst und
deutschen Handwerkes, dass es deutsche Gesellen waren,
die Gutenberg's epochemachende Erfindung über die
Alpen trugen. 1467 erscheinen die ersten in Subiaco
bei Rom, dann finden sich andere in Florenz, andere in
Verona; Ferrara, Fano werden bereist, schliesslich
wird 1476 Venedig erobert — und damit ist der
wirkliche und höchste Bund von Kunst und Hand-
werk im Buchdruck geschlossen. Denn „das Buch
der deutschen Renaissance ist das reichste an künst-
lerischem Gehalt, das der italienischen Renaissance
an künstlerischer Form". Der in langer Vorzeit ge-
schulte Sinn des Italieners für das Formale und den
specifisch künstlerischen Rhythmus hat wieder einmal
den Sieg über deutsche Biederkeit davongetragen.

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