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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 10.1899

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Schubring, Paul: Die Kunst im Buchdruck
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https://doi.org/10.11588/diglit.4879#0196
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DIE KUNST IM BUCHDRUCK

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Episode, die des grossen Petrus Paulus Arbeit auch
für das Buch in Antwerpen hervorrief, ist weder in
Deutschland, noch Italien, noch Frankreich ein wirk-
licher Fortschritt bemerkbar. Erst unter den drei
Ludwigen, dem XIV., XV., XVI., setzt in Frankreich
ein neues Bemühen um das Buch ein. Und dabei
tritt eine Neuerung in den Vordergrund, so umstürz-
lerisch und verhängnisvoll, wie sie in der ganzen
Buchentwicklung nicht zum zweitenmal vorkommt.
Es ist der Kupferstich, der zwar schon im 15. Jahr-
hundert und seitdem öfter spärlich herangezogen
worden war, nun aber mit dem Anspruch der Allein-
herrschaft auftritt und sich diese faktisch erobert.
Nach zwei Seiten hin war das verhängnisvoll: Ein-
mal lässt sich der Kupferstich, der in seiner malerischen
Tonwirkung viel anspruchsvoller auftritt als der Holz-
schnitt, nie in ein normales Verhältnis zu dem Ton-
werte des Druckes bringen, immer wird er sich vor-
drängen und jene Einheitlichkeit zerstören, die in der
Anordnung der vom Holzschnitt illustrierten Früh-
drucke in solcher Vollendung erreicht war. Und noch
ein zweites Moment steht der einheitlichen Behandlung
im Wege; dem Buchdrucker entstand beim Kupfer-
stich die Notwendigkeit, die verzierten Blätter zweimal
zu drucken, den Text und den Kupferstich besonders.
Dadurch wurde die Einheit von Satz und Bild aufs
neue gefährdet. Der Kupferstich tritt meist ganz-
seitig auf; neben das gedruckte Titelblatt tritt das
Titelkupfer, dann werden auch die Randleisten, Kopf-
und Schlussstücke, Initialen u. s. w. vom Kupfer-
stecher ausgeführt. Unsere Ausstellung enthielt gute
Proben des 18. Jahrhunderts, sowohl von grossen
Festwerken, die bei irgend einer Dauphin-Hochzeit
entstanden, wie von jenen kleinen Ausgaben der
Klassiker jener Tage, an deren Verzierung graziöse
Kleinmeister wie Qravelot, Ch. Eisen, Moreau le
jeune u. a. mitgearbeitet haben. — Das übrige Europa
hat diesen heute von Kennern sehr hoch geschätzten
Rokokobüchern wenig an die Seite zu setzen. Aus
der Reihe mittelmässiger deutscher Illustratoren ragt
nur ein Mann hervor, der uns kürzlich durch W. von
Öttingen's bedeutende Biographie wieder besonders
nahe gebracht worden ist: Daniel Chodowiecky.

Der ganze rechte Teil des Lichthofes diente der
Vorführung der Buchkunst des ig. Jahrhunderts.
Eine gewaltige Menge von Material war zusammen,
so viel und vielseitig wie es nicht leicht wieder zu-
sammenkommt. Deutschland war vorzüglich, England
gut, die anderen Länder dürftiger vertreten. Unendlich
mannigfach sind die Strömungen und Gegensätze,
die sich zum Austrag bringen möchten. Ich will nur
einige Gesichtspunkte nennen: der Kampf der Technik
mit der wirklichen Kunst; der Kampf der Billigkeit
mit der Schönheit; der Kampf überreicher und —
lauter Farbentöne mit dem Drängen auf die alte Ein-

heitlichkeit. „Ein realistischer, aufdringlicher Illustra-
tionstil hat sich entwickelt, der oft das Wort des
Dichters nicht melodisch begleitet, sondern übertönt
und entweiht" (Jessen). Demgegenüber die englischen
und deutschen Bestrebungen, die auf die alten venetianer
Meister vor allem zurückgehen.

Die deutsche Abteilung zeigte zunächst eine Aus-
wahl zierlicher Stein- und Holzdrucke aus den
dreissiger Jahren, Arbeiten von Adolf Schrödter,
Reinick, Sonderland, Graf Pocci, Neureuther, Ludwig
Richter; neben — in Wahrheit über ihnen steht Adolf
Menzel, der Schöpfer einer echten deutschen Illustra-
tionskunst. Sein Lebenswerk Hess sich bis 1835 zurück-
verfolgen. —■ Aus den siebziger Jahren waren Proben
der deutschen Renaissance, des «altdeutschen» Stiles
vorhanden, die von Künstlern wie Otto Hupp und
E. Doepler und Druckern wie Huttier und Wallau be-
stritten wurden. Diesen Vorarbeiten hat sich im
wesentlichen auch die Reichsdruckerei angeschlossen.
Daneben sucht eine katholisch-religiöse Zwecke ver-
folgende Richtung in Süddeutschland (Regensburg)
sich den gotischen Vorbildern wieder mehr zu nähern.

Eines aber wurde allen Besuchern dieser deutschen
Abteilung des 19. Jahrhunderts klar: In den künst-
lerischen Neubestrebungen, wie sie die Jugend, der
Langen'sche Verlag, Christiansen, Sattler, O. Eckmann,
Fidus, Pankok, Riemerschmied und vor allem der Pan
vertreten, tritt uns ein hocherfreuliches Bemühen um
selbständige und bewusste Buchkunst entgegen, das
weit über dem Spott derer steht, die darüber witzeln.
Als bestes Beispiel eines einheitlichen Buchschmucks
möchte ich Bierbaumes „bunten Vogel" erwähnen, der
durch Felix Vallötton's Hand ausgestattet ist. Von be-
deutenden Druckern war Drugulin mit einem ganzen
Az/zschrank vertreten — und nach Seite der künst-
lerischen Ausstattung hat der Pan doch gewiss ge-
halten, was er versprach —, Bruckmann in München,
Keller-Frankfurt a. M., Stargart-Berlin, Felsing-Berlin
hatten ihre Hauptwerke eingesandt. Unter den Zeichnern
stand natürlich Max Klinger obenan, nicht nur wegen
der Brahmsphantasien, sondern auch mit seinem
Apuleius-Märchen „Amor und Psyche" und mit einer
kleinen lyrischen Gedichtsammlung.

In der englischen Abteilung war dem Mann mit
Recht der Ehrenplatz eingeräumt, der mit grösster
Entschiedenheit die alten Vorbilder, namentlich die
Venetianer, als Muster für die eigenen Drucke hin-
stellte -■ William Morris. Seit er im Anfang der
achtziger Jahre seine Kelmskott Press aufstellte, gingen
aus seiner Offizin Jahr um Jahr Werke hervor, die
als Muster einheitlicher, feinabgestufter Buchkunst
gelten können, wenn auch die Üppigkeit des Ornaments
hie und da die schlichte Type zu stark zurücktreten
lässt. Neben William Morris ist es Walter Crane,
Anning Bell, Kate Greenway, Nicholson, die auf dem-
 
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