Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 10.1899

DOI Artikel:
Zimmermann, Ernst: Arbeiten Hermann Haase's
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4879#0211
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
204

ARBEITEN HERMANN HAASES

H. Haase, Entwurf für Vorsatzpapier, ausgeführt für O. Schwindraz-

heim's „Volkskunst", im Besitze des Museums für Kunst und Gewerbe,

Hamburg.

Möbeln, Pflanzenstudien u. dgl. für Schwindrazheim's
leider so bald eingegangene Zeitschrift für Volks-
kunst, sowie ein von beiden herausgegebenes, den
Hamburger Frauen gewidmetes „Neues Stickmuster-
buch". Ob letzteres grossen Anklang gefunden hat
in Kreisen, für die das Modejournal Evangelium ist,
dürfte indessen fraglich sein.

In allen diesen Entwürfen spricht die stilisierte
Pflanze das erste Wort. Reine Linienspiele oder
stilisierte Tiere u. dgl. wird man in der Regel nicht
finden. Nur die Heraldik hat in Haase einen ver-
ständnisvollen Verehrer gefunden. Die Pflanzen-
stilisierung hat in Hamburg schon eine ganze Tradition.
Ausgehend von der englischen Gotik, die Scott, der
Erbauer der Nikolaikirche in Hamburg, herüberbrachte,
dann weitergebildet durch die Architekten Schmidt,
Bichweiler, Breckelbaum, hat sie sich, teils in freier
Weise, teils stark mit Theorie untermischt, bis in die
unmittelbarste Gegenwart fortgepflanzt, um jetzt viel-
leicht durch den Hamburger Otto Eckmann und die
ganze moderne naturalistischere dekorative Bewegung
überhaupt beiseite geschoben zu werden. Für das
übrige Deutschland ist sie am bekanntesten durch
Hulbe's früheste Lederpunzerei geworden, Indessen
stützt sich Haase hier auf fremde Schultern, so hat
er sich doch auf diesem Gebiete in Freiheit zu be-

wegen, durch eingehendste Naturstudien ihm manche
neue Seite und Nutzanwendung abzugewinnen ge-
wusst. Dies zeigen wohl am deutlichsten die schon
erwähnten neuen Stickmuster. Sehr geschickt weiss
er hier von derselben Blume die Seiten- wie Vorder-
ansicht, wie auch die Aufsicht in demselben Ornamente
zur Verwendung zu bringen und überhaupt neue
Motive dieser alten Kunst zuzuführen.

Am fruchtbarsten jedoch enthüllt sich Haase als
Keramiker. Für die Hamburger Firma Wessely hat
er ganze Öfen gemalt, für Villeroy & Boch viele Ent-
würfe für Prunkteller und Krüge geliefert, vor allem
aber fand er in der Blaumalerei auf Fliesen ein dank-
bares Feld der Thätigkeit, und hier werden bleibende
Denkmäler sein die Rheinlandschaften darstellenden
Fliesengemälde im Speisesaal des neuen Kölner Bahn-
hofs, sowie die Hamburger Motive darstellenden
grossen Fliesengemälde in der Ratslaube des neuen
Hamburger Rathauses. Haase hat mehrfach selber
auf den ungebrannten Scherben gemalt und entschieden
grosses Geschick gezeigt, durch kräftige Accente und
deutliche Silhouetten klare dekorative Wirkungen zu
stände zu bringen. Wie reizvoll sich dekorativ übrigens
solche Fayenceplatten auch einzeln verwenden lassen,
zeigte ein Kasten mit Kerbschnitzrahtnenwerk, sowie
ein gleiches Theebrett, bei denen die Fliesen die
Flächen bilden.

Diese keramische Thätigkeit führt zum zweiten
Teile der Haasenischen Kunst. Der grösste Teil der
ausgestellten Blätter enthält Zeichnungen nach der
Natur, in erster Linie malerische Ansichten altertüm-
licher Städte, dann Volkstypen und rein landschaft-
liche Scenerien. Lüneburg, Kiel, Hildesheim Goslar,
Andernach sind vertreten, vor allem aber Hamburg,
und hier hat Haase sich das Verdienst erworben, die
letzten zerstreuten Reste des einstmals so malerischen
holländischen Aussehens der alten Hansestadt der
Nachwelt im Bilde festgehalten zu haben. Auch diese
Thätigkeit hat in Hamburg schon eine Tradition. Den
Anfang mit solchen für uns schon jetzt unschätzbaren
Aufnahmen machte der erst vor kurzem verstorbene
Hamburger Künstler Theobald Riefesel, der fast sein
ganzes Leben daran setzte, das dem sicheren Unter-
gange geweihte Bild der alten Stadt, in feinen,
detaillierten, aber doch rnalerischen Bleistiftzeichnungen
der Nachwelt zu überliefern. Eine ungewöhnlich
talentvolle Dilettantin und Schülerin, das noch jetzt
lebende Fräulein Ebba Tesdorpf, trat ihm bald hilf-
reich zur Seite, namentlich als der Zollanschluss die
nach dem grossen Brande bedeutendste Radikalum-
wälzung Hamburgs in sichere Aussicht stellte, und so
kam ein grosser Schatz naturgetreuer und doch zu-
gleichwirklich künstlerischer Aufnahmen zu stände, die
glücklicherweise jetzt zum grössten Teil im Hamburger
Museum für Kunst und Gewerbe in sicherer Ver-
 
Annotationen