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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 14.1903

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Friedmann, Ernst: Schaufensterkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4359#0179

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SCHAUFENSTERKUNST

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gehabt, dass gerade dieser eine, kühne, lobend her-
vorgehobene rote Farbenfleck das Ausschlaggebende
gewesen war.

Auch wer da sagt, dass es nur wenige bevorzugte
Branchen sind, die mit dem ihnen zur Verfügung
stehenden Material künstlerische Dekorationen schaffen
können, irrt. Sicherlich ist es leichter und dankbarer,
mit Blumen, glänzenden Seidenstoffen, Putzartikeln
aller Art ein hübsches Arrangement zu treffen, aber
zu ermöglichen ist es mit jedem Material und mag
es erst noch so spröde erscheinen. Gerade die Schuh-
und Stiefelgeschäfte z. B. bringen im Durchschnitt
die meisten, oft absolut guten Fenster, und wer
auf der letztjährigen Düsseldorfer Ausstellung be-
obachtet hat, mit welch feinem Verständnis und welch
grosser Geschicklichkeit aus Kohlen, Eisenteilen,
Schienenprofilen, Kabeltauen und dergleichen mehr
geschmackvolle Zusammenstellungen geschaffen waren,
wird zu der Ansicht kommen, dass es hier keine zu
sehr beengende Grenzen giebt. Ohne aber etwa
fanatisch verlangen zu wollen, dass nun jedwedes
Geschäft eine allen künstlerischen Anforderungen ent-
sprechende Auslage schaffen soll - - der Charakter
des Geschäfts und die Stadtgegend sind sehr be-
stimmend dabei , könnte doch durchweg ein höheres
Niveau erreicht werden.

Hierzu müssen aber noch andere Faktoren mit-
wirken und zwar solche, die ganz auf kunstgewerb-
lichem Gebiet liegen. Die aus Holz oder Glas oder

Metall bestehende Schaufenstereinrichtung lässt häufig
auch noch recht viel zu wünschen übrig. Man findet
da noch auf Schritt und Tritt arge Geschmacklosig-
keiten, und wie selten sehen wir eine hübsche Ein-
richtung. Waren die Holzarbeiten vordem vielfach
zu architektonisch, denn sie leiteten ähnlich wie in
der Möbelkunst alle Formen von der Hochbau-
architektur ab, so hat es ihnen jetzt der unglückselige
»Jugendstil« angethan. Es widerstrebt mir, hier all die
Missgeburten aufzuzählen, die dieser »Stil« geschaffen.
Die Ungeheuerlichkeiten, die hier »Schmuck« sein
sollen, wuchern auf den Holzteilen, den Glas-
smalereien« oder geätzten Gläsern, umrahmen in den
unmöglichsten Verzerrungen die Preistafeln, setzen
sich an den Beleuchtungskörpern in Metall fort, über-
ziehen die Firmenschilder, und wenn die Herrlich-
keiten im Schaufenster selbst uns entzogen werden
müssen, prangen die grossen, wilden Knicklinien mit
Blumen in allen Stilisierungen auf dem Vorhang.
Diese Andeutungen mögen genügen, um zu zeigen,
wie viel Arbeit auf diesem Gebiete noch zu leisten.
Eine gründliche Reform nur kann uns eine wirkliche
»Schaufensterkunst« bringen. Sehr unterstützt wird
eine solche bereits von den weit vorgeschrittenen
Beleuchtungsmöglichkeiten, unter denen die Elektri-
zität die höchsten Triumphe feiert, die uns heute
schon Effekte schafft, an die vor wenigen Jahren kaum
jemand geglaubt hätte. Und dann will ich noch
rühmend hervorheben, dass in allerletzter Zeit doch
schon hier und da das »neue moderne Schaufenster«
unseres Jahrhunderts entstanden ist. Das Wesentliche
dabei besteht in der neuen Form des Fensters, das
nicht mehr flach zur Fassade liegt, sondern die
Scheibe als breiten Pyramidenstumpf umgestaltet, der
sich nach aussen verjüngt.

Das Fenster wird eine Art Erker und bietet, prak-

TAPETENMUSTER UND VOR-
SATZPAPIER VON ARCHITEKT
M. A. NICOLAI, DRESDEN
 
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