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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 14.1903

DOI Artikel:
Peters, H.: Die Kunstgewebeschule in Scherrebek
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https://doi.org/10.11588/diglit.4359#0238

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DIE KUNSTWEBESCHULE IN SCHERREBEK

ist, da sich beim Weben Schwierigkeiten einstellen
können, die man nicht voraussehen kann. Eine »Hand-
arbeit« muss stets im richtigen Verhältnis stehen zur
Stundenzahl, die man auf sie verwendet. Diese
Kunstwebereien lassen sich niemals, wie andere ge-
musterte Stoffe, in kurzer Zeit auf Maschinen in be-
liebigen Mengen nach Entwürfen herstellen. Sie
können nur in mühsamster Arbeit durch geschickte
Hände nach dem Entwurf, der hinter den Fäden
angebracht wird, und der meistens von Künstlerhand
herrührt, nachgebildet werden.
Das Weben geschieht voll-
ständig mit den Fingern, ohne
jedes Werzeug. Die Technik
steht sozusagen auf der unter-
sten Stufe der Webekunst und
ist dennoch das höchste, was
sie überhaupt leisten kann.
Und nun beging Pastor Jakob-
sen wieder Fehler. In allen
Tageszeitungen liess er bekannt
machen, dass Damen sich
mühelos mindestens 2,50 M.
den Tag verdienen könnten,
wenn sie in Scherrebek die
Kunstweberei erlernen würden,
um dann für die Schule in
ihrer Wohnung weiter zu
weben nach den gelieferten
Entwürfen. Allerorten fingen
die Damen an nach Scherrebek
zu pilgern, um sich den neuen
Erwerbszweig anzueignen. Die
Kunstwebeschule nahm einen
ungeahnten Aufschwung, aber
das hatte nicht lange Bestand.
Konnte Pastor Jakobsen wirk-
lich denken, dass das Absatz-
gebiet sich so enorm ver-
grössern würde, dass alle
Damen wirklich dauernd Be-
schäftigung und Entgelt erhal-
ten konnten? Die Reise nach
Scherrebek, der Aufenthalt
dort, das Erlernen der Technik
kostete eine Menge Geld, und
die meisten Damen sahen
bald ein, dass sie ihr Kapital
schlecht angelegt hatten, als
die Bestellungen spärlich wur-
den und bald ganz aufhörten.
Einen Webstuhl mussten sie
sich auch anschaffen, und da
mit den Aufträgen auch das
Recht aufhörte, die Scherre-
beker Entwürfe nachzuweben,
ruhte der ganz. Die meisten
Damen sind nicht im stände,
sich Entwürfe selbst zu machen
und haben nicht die Mittel,
sich einen kostspieligen Künst-

WANDBEHANO VON ERICH
KLEINHEMPEL, DRESDEN

lerentwurf anzuschaffen. Die Absatzfrage ist auch zu
schwerwiegend. — Und wie ist es mit dem lohnen-
den Erwerb für die arme Bevölkerung Nordschles-
wigs? und wie mit dem Vorpostenbilden gegen das
Dänentum an der Grenze? Beides verträgt sich
absolut nicht mit dem Kunstweben in allen Provinzen
des Deutschen Reiches für die Schule. Wirklich, das
war ein schwerer Missgriff. Und noch wieder kamen
neue Fehler hinzu: Scherrebek giebt nicht von seinen
richtig gefärbten Wollen ab. Einen grossen, sicheren
Verdienst lässt es sich da-
durch entgehen. Ja, die darauf
bezüglichen Anfragen wurden
nicht einmal einer Antwort
gewürdigt. Dasselbe ist von
den Webstühlen zu sagen.
Wer nicht in Scherrebek das
Kunstweben erlernt hatte, be-
kam keinen. Hier nach Königs-
berg hatten sie einer Dame,
der von Scherrebek das Recht
erteilt war, Webeunterricht zu
erteilen, eine Reihe Webstühle
zugeschickt. Aber sie zahlten
lieber die teuren Rücktransport-
kosten, als dass man die Web-
stühle nicht Scherrebeker Schü-
lerinnen überlassen hätte. Jeder
tüchtige Tischler kann sie
ohne Schwierigkeit machen.
Und welche Reklame wäre es
für Scherrebek gewesen, wenn
allerorten Scherrebeker Web-
stühle in Gebrauch gewesen
wären.

Christiania hat eine grosse,
solide Kunstwebeanstalt. Es
giebt willig jedes Quantum
Wolle in jeder gewünschten
Farbe ab. Es übernimmt
vollständige Garantie dafür,
dass die Wollen mit Pflanzen-
farbstoffengefärbt sind.
Wer Norwegen bereist und
sich in Christiania aufhält, be-
sucht meistens den ^Norske
Husflidsforening« und kauft
sich nicht selten eine Kunst-
weberei. Eine solche Haus-
fleissvereinigung hätte sich aus
Scherrebek entwickeln müssen,
dann wäre der Zweck erreicht,
der armen Bevölkerung in
Schleswig einen neuen lohnen-
den, auf hoher Stufe stehen-
den Erwerbszweig geschaffen
zu haben. Tausende lässt
Scherrebek sich jährlich ent-
gehen, weil es keine Wolle ver-
kauft. Und was bezweckt es
damit? Hofft es zu verhin-
 
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