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KUNSTNACHRICHTEN

BEIBLATT DER KUNSTWELT

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III. JAHRG. 1. November 1913

Die Kunstnachrichten sind ständiges Nachrichtenorgan für folgende KUNST- UND KUNSTGEWERBE-VEREINE Deutschlands, Oesterreichi,
der Schweiz und Rußlands: Aachen, Alienstein, Altenburg, Altona, Augsburg, Baden-Baden, Bayreuth, Bernburg, Biel, Bielefeld,
Braunschweig, Bremen, Breslau, Bromberg, Brünn, Chemnitz, Chur, Danzig, Darmstadt, Dessau, Dresden, Düsseldorf, Eisenach,
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Glarus, Glauchau, Görlitz, Gotha, Göttingen, Graz, Halberstadt, Halle a. S., Hamburg, Hanau, Hannover, Heidelberg, Hildeshein:,
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Leipzig, Liegnitz, Linz, Lübeck, Magdeburg, Mannheim, Meran, Merseburg, Metz, Mühlhausen (Eis.), München, München-Gladbach,
Münster (Westf.), Neiße, Nordhausen, Nürnberg, Oldenburg, Olmütz, Plauen (Vogtl.), Posen, Prag, Regensburg, Riga, Rosenheim,
Rostock, Salzburg, Schaffhausen, Schwerin (Meckl.), Speyer, Stralsund, Straßburg (Eis.), Stuttgart, Teschen (Oesterreich), Thorn, Trier,

Ulm (Donau), Ülzen, Varel, Wiesbaden, Winterthur, Würzburg, Zürich, Zwickau.

Ratschläge zur Betrachtung alter Bilder.

Von Prof. Dr. PAUL ScHUBRUSTG. (Nachdruck verboten.)

Auf die Gefahr hin, für unmodern gehalten
zu werden — was ja auch ein Ehrentitel sein
kann! — bekenne ich, daß ich das Verständnis
für alte Bilder nicht auf dem Umweg über die
Moderne erworben habe und auch andern nicht
rate, es auf diesem Umweg zu erwerben. Es
war bekanntlich Hugo von Tschudis letzte Er-
mahnung: meine Verehrung für diesen Mann
wird nicht verringert, wenn ich glaube, daß er
sich diesmal geirrt hat. Wer von Cezanne und-
van Gogh, von Manet und Corot rückwärts sich
tastet, wird in der Tat Goya und Greco, Ma-
ri eschi und Pietro Longhi, vielleicht auch noch
Tiepolo und Piazzetta leichter fassen, als wenn er
von Giotto heraufkommt. Aber er sättigt sich
allzu früh mit dem Grundgefühl der Unruhe und
Andeutung, der Impression und gelockerten Form,
um spätei nicht in allen festen, kalligraphischen
und architektonischen Malern. eine peinliche Ge-
schlossenheit, eine typische Härte des Vortrags
zu sehen. Wir heutigen Sucher, die wir nach
1789 leben, müssen, um in die Welt vor 1789
zurückzukehren, vor allem die moderne Unruhe,
alles Momentane und rasch Wandelbare abtun
und uns in die Notwendigkeiten ruhigen Blutes,
gleichbleibender Continuität und unbeirrter innerer
Bestimmtheit zurückleben, um die positive, sichere,
klare, unpersönliche Faktur der alten Bilder zu
verstehen und zu genießen. Man tut das viel-
leicht am besten, indem man zunächst einmal
ein größeres, ganz ruhiges Buch der Vergangen-
heit wieder liest. Aus eigener Erfahrung nenne
ich drei Bücher, die mir geholfen haben: Vol-

taires Siecle de Louis XIV, Dante und Homer.
Aber alle antiken Bücher leisten schließlich den
gleichen Dienst, z. B. Plato, Plutarchs Moraha,
Tacitus. Dann die wundervolle Legenda aurea,
die so wenig bekannt ist, all die Sommer- und
Winterheiligenleben, der ganze Boccaccio, auch
Castigliones Cortiziano. Wir müssen alle Reiz-
samkeit verlernen und die Welt tvpischer Klar-
heit, breiten Selbstlebens wieder gewinnen. Denn
Bilder sind nicht Einfall und Feuilleton, sondern
Dauersachen, ewig beredt dem Fragenden, ewig
stolz verschlossen dem Banausen. Es gibt nicht
altmodische und moderne, sondern nur gute und
schlechte Bilder. Wer Schwind einen Spinettisten
nennt, der hat noch nicht den Mummenschanz
der Gegenwart abgelegt. Jeder hat das Recht,
sich seine Lieblinge zu wählen. Aber will er
in die alte liebe Welt ehrlich hereinkommen, so
hilft ihm nicht der heute so lächerlich überschätzte
persönliche Geschmack und die feine Erregbarkeit
der Seele, sondern lediglich die Fähigkeit, Vergange-
nes gegenwärtig zu machen, indem man sich auf
den Boden stellt, dem das Bild entstammt.

Einzel Vorschläge: Ich lasse Allgemeinheiten
weg, wie die Versicherung, daß man Italiener
nur begreifen kann, wenn man mindestens ein-
mal in Italien war, Holländer, wenn man in
Holland war. Ich spreche nicht davon, daß man
über Mythen und Legenden Bescheid wissen muß,
zumal darüber ein Buch von mir existiert (Hilfs-
buch zur Kunstgeschichte), in dem man die
Mythen und Legenden zusammengestellt findet,
die im Bild und Stein, in der Bronze und auf
 
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