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Dies* Nummer der Knaataachrichten itt 8 Seiten stark. Auflage: 10000.

KUNSTNACHRICHTEN

BEIBLATT DER KUNSTWELT

Erscheint monatlich 2mal. i^^l^ Redaktion und Expedition:

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III. JAHRG7 ~ 15. Januar 1914

Die Kunstnachrichten sind ständiges Nachrichtenorgan für folgende KUNST- UND KUNSTGEWERBE-VEREINE Deutschlands, Oesterreichs,
der Schweiz und Rußlands: Aachen, Alienstein, Altenburg, Altona, Augsburg, Baden-Baden, Bayreuth, Bernburg, Biel, Bielefeld,
Braunschweig, Bremen, Breslau, Bromberg, Brünn, Chemnitz, Chur, Danzig, Darmstadt, Dessau, Dresden, Düsseldorf, Eisenach,
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Ulm (Donau), Ülzen, Varel, Wiesbaden, Winterthur, Würzburg, Zürich, Zwickau.

Die Künstler einst und heute.

Eine sehr bemerkenswerte Unterredung, die
es verdient, in der weitesten Öffentlichkeit be-
kannt zu werden, hatte dieser Tage ein Mitar-
beiter einer Wiener Zeitung („N. W. T.4') mit
dem hervorragendenWien er Porträtmal er Heinrich
von Angeli, ein Meister, dessen bedeutendes
Schaffen heute überall die höchste Anerkennung
genießt. In dieser Unterredung, die mit den
Anschauungen, welche die „Kunstwelt" des
Öfteren vertreten und betont hat, in sehr inte-
ressanter Weise übereinstimmt, die auch wesent-
lich Neues sagen, fragte der Besucher den ver-
ehrten Meister, „ob sich die Künstler geändert
hätten?" Irgend jemand hatte behauptet, die
Künstler wären nicht mehr dieselben — von
andern Seiten war dies wieder bestritten worden. .
„Was?" sagte Professor v. Angeli, „die Künstler
haben sich nicht verändert? Mir wäre es recht.
Aber leider . . ." Eine deutliche Handbewegung
vollendete den Satz. „Wenn Sie mir noch
sagten," fuhr er fort, „daß der Mensch sich gleich
bleibt, gut, das lasse ich gelten, Gefühle, Empfin-
dungen, Leidenschaften ändern sich nicht. Aber
die Künstler! ? . . . " Und die Gründe sind
doch ganz klar. Es ist vor allem der ungeheure
Dilettantismus in unserer Zeit. Man ertrinkt
ja förmlich darin; er überschwemmt alles. Es
gibt ja heute kein Haus mehr, in dem nicht
gemalt oder gebildhauert wird. Aber nicht etwa
in dem bescheideneren Rahmen eines Lehr-
gegenstandes — im Gegenteil, unter der Maske
Kunst!! . . . Und das Schönste an diesem
Dilettantismus ist, daß er alles andere ver-
achtet. Er verachtet die alten Meister, und ich,

ich begreife meinerseits absolut nicht, wie man
etwas, was uns durch Jahrhunderte als Schönstes
und Edelstes heilig war, plötzlich, einfach um-
werfen will. Das verstehe ich nicht, und das
will nicht in meinen Kopf. Und da kommen
dann Leute und heben solchen Dilettantismus
in den Himmel, so daß das Publikum natürlich
die Fähigkeit zu unterscheiden verliert und völlig
irre wird. Man fragt mich oft, ob diese Künstler
ehrlich aus Überzeugung so schaffen? Ich habe
oft darüber nachgedacht. Aber, nicht wahr, ins
Herz kann man niemand schauen, und dann,
ob ehrlich, oder nicht, das eine weiß ich: schön
— sind die Produkte nicht! —

Neben dem Dilettantismus sind dann vor
allem die vielen Ausstellungen unser Krebsschaden.
Zum Frühjahr, im Herbst, zu allen möglichen
Jahreszeiten muß der Künstler etwas fertig haben.
Da kann es freilich nicht zu intensivem Studium,
einem innigen Sichvertiefen kommen. Früher
ist der Künstler am Morgen in seine Werkstatt
gekommen und hat unabgelenkt gearbeitet, bis
es dunkel wurde. Er hat das fertige Bild fort-
gestellt, es nach einiger Zeit wieder hervorge-
nommen und mit frischem Auge alle Mängel
gemerkt. Und er hat dann nachgeholfen und
verbessert, soweit seine künstlerische Kraft es
gestattete. Ja, das gibts jetzt nicht mehr. Wissen
Sie, wozu diese unheimliche Raschheit der Pro-
duktion führt? Zu einer unglaublichen „Ver-
schlampung" in der Kunst, und das ist vielleicht
eines der charakteristischesten Merkmale. „Ich
muß fertig werden!", wie oft habe ich diese
Worte ein paar Tage vor der Ausstellung gehört.
 
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