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Oiete Nammer der Knastnachrichten ist 4 Selten stark. Auflage: 10000.

KUNSTNACHRICHTEN

BEIBLATT DER KUNSTWELT

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III. JAHRG._1. Januar 1914

Die Kunstnachrichten sind ständiges Nachrichtenorgan für folgende KUNST- UND KUNSTGEWERBE-VEREINE Deutschlands, Oesterreichs,
der Schweiz und Rußlands: Aachen, Allenstein, Altenburg, Altona, Augsburg, Baden-Baden, Bayreuth, Bernburg, Biel, Bielefeld,
Braunschweig, Bremen, Breslau, Bromberg, Brünn, Chemnitz, Chur, Danzig, Darmstadt, Dessau, Dresden, Düsseldorf, Eisenach,
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Rostock, Salzburg, Schaffhausen, Schwerin. (Meckl.), Speyer, Stralsund, Straßburg (Eis.), Stuttgart, Teschen (Oesterreich), Thorn, Triei,

Ulm (Donau), Ülzen, Varel, Wiesbaden, Winterthur, Würzburg, Zürich, Zwickau.

Die Kunst auf der Postkarte.

Von Max Schlichtlng.*)

Die jüngst erfolgte Beschlagnahme einer An-
zahl Postkarten mit Reproduktionen von Skulp-
turen hat in den Kreisen der Künstler eine be-
greifliche Erregung hervorgerufen und die Be-
fürchtung aufkommen lassen, daß die Freiheit
der Kunst bedroht sei. Vorerst ist dieses Urteil
noch nicht der letzte Spruch, und das Reichs-
gericht hat erst darüber zu entscheiden, ob ge-
rade diese Postkarten unzüchtig sind oder nicht.
Die an und für sich verständliche Mißstimmung
über diese Beschlagnahme hat nun aber zu einer
Art Protestbewegung geführt, die weit über das
Ziel hinausschießt und droht, für ein Prinzip
einzutreten, das den Künstlern schädlich ist. Es
ist also wohl am Platze, einmal in Ruhe das
Für und Wider abzuwägen. Schon die Tat-
sache allein, daß die Bewegung zuerst vom
Hansabund ausgeht, zeigt die geschäftliche Seite
der Angelegenheit. Die Postkarte ist ein Massen-
artikel, der, wenn gar kein oder wenig Künstler-
honorar zu zahlen ist, großen Gewinn abwirft.
Die Kunst ist also jedenfalls nicht allein ge-
schädigt, sondern mindestens ebenso stark das
Geschäft der Postkartenindustrie. Es ist nämlich
auffällig, daß die Postkartenverleger Nacktdar-
stellungen bevorzugen und als eine gutgehende
Nummer ansehen. Auf den Verkaufstischen in
den großen Kunstausstellungen findet man außer
Hunde- und Katzenbildern vorwiegend Karten

*) Dieser zuerst in der ,,Werkstatt der Kunst" erschienene
Aufsatz von aktueller Bedeutung sei der besonderen Beachtung
unserer Leser empfohlen.

mit Nacktdarstellungen, und in den Schaufenstern
an der Straße sind Raffaelsche Madonnen viel
seltener zu finden als Bilder von Rubens, von
denen aber nur diejenigen, die Nacktes darstellen.
Sollte der Postkartenverleger nicht doch bei der
Auswahl seiner Karten auf bestimmte Instinkte
des Volkes spekulieren?

Es fragt sich nun, ob wirklich durch die
Reichsgerichtsentscheidung, auf die sich das Urteil
des Landgerichts stützt, die Freiheit der Kunst
bedroht ist. Zunächst ist festzustellen, daß das
Kunstwerk im Original in unseren Zeiten die
größte Freiheit genießt, sodaß sittlich bedenkliche
Werke niemals von der Polizei, sondern nur von
der künstlerischen Leitung der Ausstellung be-
anstandet sind. Wirkliche Kunst ist aber nur
das Original. Viele Reproduktionen sind minder-
wertig. Wenn wirklich die Reproduktion fast
dieselbe künstlerische Wirkung hätte wie das
Original, so würden die Direktoren der Museen
nicht Millionen aufwenden für Originale, die
durch Reproduktionen für wenige Mark ersetzt
werden können. Eine Unterdrückung von Post-
karten mit Reproduktionen verletzt also jeden-
falls nicht das Herz der Kunst. Trotzdem muß
man jede Reproduktion willkommen heißen, die
zu dem Zwecke erworben wird, sich ästhetischen
Kunstgenuß zu bereiten. Daß dies bei Bildern
und Plastiken auf Postkarten nicht immer der
Fall ist, wird allseitig anerkannt. Man bezeich-
net dies als einen vereinzelten Mißbrauch, der
bei jeder guten Sache unvermeidlich sei. Um-
 
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