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KUNSTNACHRICHTEN

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III. JAHRG7 " 15. Dezember 1913

Die Kunstnachrichten sind ständiges Nachrichtenorgan für folgende KUNST- UND KUNSTGEWERBE-VEREINE Deutschlands, Oesterreich!,
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Ulm (Donau), Ülzen, Varel, Wiesbaden, Winterthur, Würzburg, Zürich, Zwickau.

Die religiöse Schönheit.

Von Oscar Ollexdorf.*)

Es geht die Sage, daß in der Renaissancezeit
die Kunst der Deutschen und Niederländer
frömmer gewesen sei, als die der Italiener. Ja,
unter den Italienern der Renaissance haben
einzelne Stimmen die niederländische Kunst für
frömmer eiklärt. Michela°;niolo erwiderte auf
die entsprechende Äußerung der Vittoria Colonna,
daß die Schönheit an sich fromm, also zu keinem
besonderen Ausdruck religiösen Gefühls ver-
pflichtet sei. Wenn man aber diese Worte auf
sich beruhen läßt und erwägt, in welcher Art
bildende Kunst „fromm" sein könne, so ist dies
in drei verschiedenen Ausdrucksgebieten möglich,
nämlich durch die innerliche, bedeutende Dar-
stellung der Gedankenwelt des christlichen Him-
mels, durch Darstellung religiöser Liebe und
endlich durch den Ausdruck der Andacht. Schon
auf Grund solcher Feststellung erscheint es höchst
seltsam, daß eine Malerei, in der wir die Gott-
vater-Gestalten des Michelagniolo, die Sixtinische
Madonna, den Christus des Kartons „Weide
meine Lämmer", den Paulus der Predigt Pauli,
den Petrus der Bestrafung des Ananias von
Raphael und Tizians Zinsgroschen finden, nicht
fromm gewesen sein soll. Der Verdacht wird
rege, daß sich hinter dergleichen Behauptungen
eine bestimmte Art von Frömmigkeit verbirgt,
die nur ein naives, kindliches, befangenes Wesen,
nicht aber den freien, großartigen Ernst als

*) Aus dem kürzlich erschienenen ausgezeichneten Buch „An-
dacht in der Malerei" (Leipzig. Verlag Julius Zeitler), wo-
rin Oscar Ollendorf das religiöse Moment in der Malerei der
Großmeister untersucht. Die Schriftleitung

fromm erkennen will. Die italienischen Groß-
meister im Verein nur noch mit Dürer und
Murillo haben die Charaktere des christlichen
Himmels geschaffen, wie sie heute in der an-
schaulichen Phantasie der Gebildeten aller Völker
leben. Ihre Kunst ist also in diesem Sinne von
Frömmigkeit durchaus erfüllt.

Auf dem Gebiete der Darstellung religiöser
Liebe gebührt der italienischen Malerei ganz al-
lein durch die Gestalt des hl. Franziskus von
Correggio in der Dresdener Galerie eine hervor-
ragende Stellung. Im übrigen ist in diesem Reich
religiöser Schönheit die spanische Nation durch
Vermittlung ihres Meisters Murillo fast Allein-
herrscher. In der Andacht aber teilen alle ge-
nannten Völker den Preis. Dabei läßt sich frei-
lich nicht leugnen, daß hier im 16. Jahrhundert
Michelagniolo, Correggio und Tizian dem Aus-
druck fern blieben. Und vielleicht mag diese
Tatsache, und daß, wie wir sahen, in Michelag-
niolos Hauptwerk der Malerei, trotz der aus-
schließlich biblischen Themen, Andacht garnicht
vorkommt, zu jener Meinung von der Unfröm-
migkeit italienischer Kunst beigetragen haben.
Aber wir erkannten, wie bedeutende Darstellungen
andächtigen Lebens in Lionardos und Raphaels
Werk erscheinen, so daß sich also ebenfalls auf
diesem besonderen Gebiet die allgemeine Be-
hauptung vom unfrommen Wesen italienischer
Malerei nicht aufrecht erhalten läßt.

Im 17. Jahrhundert bringt Italien Guido Reni
hervor, Spanien Murillo. Deutschland hatten
 
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