alle diese Büsten gemacht? Der Hauch persön-
lichen Lebens, besonderen Schicksals umschwebt
nun das Bild. Es wird dadurch nicht anders,
aber wir sehen es mit heißeren Augen an. Gewiß
muß man Augen haben, um den Fluß der Linien,
das Spiel der Farben, den matten Glanz des
bleichen Goldes zu sehen. Aber so gewiß in den
Bildern die großen Angelegenheiten des Menschen
mitklingen, spricht hinter Linien und Farben auch
noch ein Schicksal, eine Sehnsucht, eine Ver-
zweiflung, ein Jubel.
5. Man kann nicht an demselben Morgen
sich auf Botticelli und Ruisdael einstellen, ohne
oberflächlich zu sehen. Die Altflorentiner er-
scheinen dem, der ein Bild von Jan van der Meer
von Delft eben gesehen hat, hart und langweilig.
Schon Altniederländer mit ihrem Glanz und ihrer
Glut machen ungerecht gegen die festere, härtere,
vielleicht auch banalere Welt eines Multscher
oder Wiz. Wir lesen doch auch nicht eine Szene
aus der Phaedra Racines und dann sofort einen
Akt aus Antonius und Kleopatra! Die Werke
liegen auf zu verschiedenen Gebieten! In Venedig
kann man so sehr in den Bann Tintorettos in
der Scuola San Rocco kommen, daß man nichts
anderes dagegen gelten läßt! Gut, dann hat man
an einer Stelle ernsthaft zugepackt und mehr
Gewinn, als wenn man sich über alle Baedeker-
sterne orientiert hat. Man sieht so wie so auf
den Reisen immer zu viel und schließlich gar
nichts. In Florenz sehe ich mir keine Holländer
an, obwohl ein sehr schöner Seghers in den
Uffizien hängt. In Bologna Dürers Kupferstiche
zu studieren, die dort ausgehängt sind, überlasse
man den Italienern. Mit einem Wort: man habe
den Mut, sich zu beschränken, auch wenn man
nachher daheim verspottet wird. In jedem Land
zunächst die Kunst dieses Landes! Niemand
braucht für Alles offen zu sein. Der echte
Italienfreund wird die kleinen holländischen Bild-
chen nicht so sehr lieben, und der auf die freie Mit-
teilung der schaubaren Dinge Eingestellte wird Rem-
brandt ablehnen. Wo steht geschrieben, daß jeder
Mensch Rembrandt bewundern müsse? Wir stecken
heute wirklich in einem üblen Rembrandtpietismus
drin; schon Burckhardt ermahnte: ecce Rubens!
6. Bei Situationsbildem fragt man: wie viel
Uhr ist es auf dem Bild? Man kann das sogar
Ausstellungen.
Im Berliner Kunstgewerbemuseum ist die
Jubiläumsausstellung der Berliner Kgl.
Porzellan-Manufaktur eröffnet worden. Sie
bietet einen großartigen Überblick über die Ent-
wickelung der Berliner Porzellankunst seit 150
Jahren. (Vgl. Heft 4 der „Kunstwelt".)
Der Verein der Künstlerinnen in Berlin hat
bei dem Hermes des Praxiteles tun. Man kom-
poniere den Akkord auf Giorgiones Concert im
Palazzo Pitti. Auf Landschaften gehe man spa-
zieren, werfe sich ins Gras, blicke rückwärts und
trinke den würzigen Duft der Kräuter. Bananen
und Melonen werden gegessen, Perlmuttermesser
und die schon angeschnittene Zitrone in die Hand
genommen. Vor jedem Heiligenbild rufe man:
,,Rührt Euch" und gruppiere dann anders, ob es
gelingt, ebensoviel Süße und Harmonie heraus-
zubringen. Dabei erfährt man dann auch, ob
man das Bild wirklich gut angesehen hat. Ich
bitte meine Zuhörer oft, sich umzudrehen und
die Stellung des Heiligen rechts aus dem Gedächt-
nis nachzumachen; es gelingt fast nie. Der eine
zeichnet sich das Bild ab, der andere beschreibt
es. Das sind gute Fußangeln. Der verstorbene
Direktor des alten Museums in Berlin, Kekule,
sagte mir einmal: ich spreche oft länger vor einem
Stück als nötig, nur um die Zuhörer zu zwingen?
stehen zu bleiben und lange auf den Stein hin-
zusehen. So erzähle ich oft auch eine Anekdote,
die schließlich entbehrlich wäre, die aber den
Rundmarsch hemmt. Das, was man aufschreibt,
kann ganz falsch sein; man zwingt sich aber zu
ruhiger Versenkung in das Bild. x\müsant ist es,
wie Wenige die Größe eines Bildes in Zenti-
metern ausdrücken können. In London schreibt
man auch die Preise drunter, das ist für den
Eingeweihten oft geradezu verblüffend.
Zum Schluß noch einmal: wer mit stumpfem
Auge, dumpfer Seele und gleichgültiger Blasiert-
heit Bilder ansieht, der sieht überhaupt nichts.
Wir müssen vor allem wach und frisch in jedem
Sinne sein, auch nicht hungrig, dürfen nicht an
ein schönes Fräulein denken oder an die nächste
Abendkneipe. Mit heiterer Ruhe fülle sich die
Seele und wandere dann durch köstliche Gefilde.
Jeder hat ein Anrecht auf Bilder, der Liebe mit-
bringt. Den Nerven und Stimmungen versagt sich
die Hauptsache. Leicht dringt man nicht ein,
„dringt es gewaltig ein, müssen wir tüchtig sein".
Der Brunnen ist unerschöpflich, die Freude nie
geringer, sondern immer glühender, je weiter man
vordringt. Das Ziel ist, nicht nur die besondere
Handschrift des einzelnen Künstlers zu begreifen,
sondern die Glut der Stunde, aus der dies und
kein anderes Bild hervorging.
wieder eine vortreffliche Ausstellung veranstaltet,
in der besonders neue und ältere Arbeiten von
Dora Hitz, die Porträts von Frieda Menshausen-
Labriola und Landschaften von Eva Stört als
bemerkenswert zu nennen sind.
Deutsche Architekten-Ausstellung in Berlin.
Der Bund Deutscher Architekten hat auf seiner
letzten Frankfurter Tagung einen Ausschuß ein-
lichen Lebens, besonderen Schicksals umschwebt
nun das Bild. Es wird dadurch nicht anders,
aber wir sehen es mit heißeren Augen an. Gewiß
muß man Augen haben, um den Fluß der Linien,
das Spiel der Farben, den matten Glanz des
bleichen Goldes zu sehen. Aber so gewiß in den
Bildern die großen Angelegenheiten des Menschen
mitklingen, spricht hinter Linien und Farben auch
noch ein Schicksal, eine Sehnsucht, eine Ver-
zweiflung, ein Jubel.
5. Man kann nicht an demselben Morgen
sich auf Botticelli und Ruisdael einstellen, ohne
oberflächlich zu sehen. Die Altflorentiner er-
scheinen dem, der ein Bild von Jan van der Meer
von Delft eben gesehen hat, hart und langweilig.
Schon Altniederländer mit ihrem Glanz und ihrer
Glut machen ungerecht gegen die festere, härtere,
vielleicht auch banalere Welt eines Multscher
oder Wiz. Wir lesen doch auch nicht eine Szene
aus der Phaedra Racines und dann sofort einen
Akt aus Antonius und Kleopatra! Die Werke
liegen auf zu verschiedenen Gebieten! In Venedig
kann man so sehr in den Bann Tintorettos in
der Scuola San Rocco kommen, daß man nichts
anderes dagegen gelten läßt! Gut, dann hat man
an einer Stelle ernsthaft zugepackt und mehr
Gewinn, als wenn man sich über alle Baedeker-
sterne orientiert hat. Man sieht so wie so auf
den Reisen immer zu viel und schließlich gar
nichts. In Florenz sehe ich mir keine Holländer
an, obwohl ein sehr schöner Seghers in den
Uffizien hängt. In Bologna Dürers Kupferstiche
zu studieren, die dort ausgehängt sind, überlasse
man den Italienern. Mit einem Wort: man habe
den Mut, sich zu beschränken, auch wenn man
nachher daheim verspottet wird. In jedem Land
zunächst die Kunst dieses Landes! Niemand
braucht für Alles offen zu sein. Der echte
Italienfreund wird die kleinen holländischen Bild-
chen nicht so sehr lieben, und der auf die freie Mit-
teilung der schaubaren Dinge Eingestellte wird Rem-
brandt ablehnen. Wo steht geschrieben, daß jeder
Mensch Rembrandt bewundern müsse? Wir stecken
heute wirklich in einem üblen Rembrandtpietismus
drin; schon Burckhardt ermahnte: ecce Rubens!
6. Bei Situationsbildem fragt man: wie viel
Uhr ist es auf dem Bild? Man kann das sogar
Ausstellungen.
Im Berliner Kunstgewerbemuseum ist die
Jubiläumsausstellung der Berliner Kgl.
Porzellan-Manufaktur eröffnet worden. Sie
bietet einen großartigen Überblick über die Ent-
wickelung der Berliner Porzellankunst seit 150
Jahren. (Vgl. Heft 4 der „Kunstwelt".)
Der Verein der Künstlerinnen in Berlin hat
bei dem Hermes des Praxiteles tun. Man kom-
poniere den Akkord auf Giorgiones Concert im
Palazzo Pitti. Auf Landschaften gehe man spa-
zieren, werfe sich ins Gras, blicke rückwärts und
trinke den würzigen Duft der Kräuter. Bananen
und Melonen werden gegessen, Perlmuttermesser
und die schon angeschnittene Zitrone in die Hand
genommen. Vor jedem Heiligenbild rufe man:
,,Rührt Euch" und gruppiere dann anders, ob es
gelingt, ebensoviel Süße und Harmonie heraus-
zubringen. Dabei erfährt man dann auch, ob
man das Bild wirklich gut angesehen hat. Ich
bitte meine Zuhörer oft, sich umzudrehen und
die Stellung des Heiligen rechts aus dem Gedächt-
nis nachzumachen; es gelingt fast nie. Der eine
zeichnet sich das Bild ab, der andere beschreibt
es. Das sind gute Fußangeln. Der verstorbene
Direktor des alten Museums in Berlin, Kekule,
sagte mir einmal: ich spreche oft länger vor einem
Stück als nötig, nur um die Zuhörer zu zwingen?
stehen zu bleiben und lange auf den Stein hin-
zusehen. So erzähle ich oft auch eine Anekdote,
die schließlich entbehrlich wäre, die aber den
Rundmarsch hemmt. Das, was man aufschreibt,
kann ganz falsch sein; man zwingt sich aber zu
ruhiger Versenkung in das Bild. x\müsant ist es,
wie Wenige die Größe eines Bildes in Zenti-
metern ausdrücken können. In London schreibt
man auch die Preise drunter, das ist für den
Eingeweihten oft geradezu verblüffend.
Zum Schluß noch einmal: wer mit stumpfem
Auge, dumpfer Seele und gleichgültiger Blasiert-
heit Bilder ansieht, der sieht überhaupt nichts.
Wir müssen vor allem wach und frisch in jedem
Sinne sein, auch nicht hungrig, dürfen nicht an
ein schönes Fräulein denken oder an die nächste
Abendkneipe. Mit heiterer Ruhe fülle sich die
Seele und wandere dann durch köstliche Gefilde.
Jeder hat ein Anrecht auf Bilder, der Liebe mit-
bringt. Den Nerven und Stimmungen versagt sich
die Hauptsache. Leicht dringt man nicht ein,
„dringt es gewaltig ein, müssen wir tüchtig sein".
Der Brunnen ist unerschöpflich, die Freude nie
geringer, sondern immer glühender, je weiter man
vordringt. Das Ziel ist, nicht nur die besondere
Handschrift des einzelnen Künstlers zu begreifen,
sondern die Glut der Stunde, aus der dies und
kein anderes Bild hervorging.
wieder eine vortreffliche Ausstellung veranstaltet,
in der besonders neue und ältere Arbeiten von
Dora Hitz, die Porträts von Frieda Menshausen-
Labriola und Landschaften von Eva Stört als
bemerkenswert zu nennen sind.
Deutsche Architekten-Ausstellung in Berlin.
Der Bund Deutscher Architekten hat auf seiner
letzten Frankfurter Tagung einen Ausschuß ein-