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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 9.1895-1896

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Heft 11
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Avenarius, Ferdinand: Schaufenster
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https://doi.org/10.11588/diglit.11730#0176

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kann der Kampf für die Kunst unter gnnftigen
Aufpizien in der Weife geführt werden, wie fetzt
z. B. uon dem „Vereine zur Förderung Dresdens
und des Fremdenverkehrs". Diefer hat aus fich einen
Kunftausfchuß von Kennern gebildet, der nun be-
müht ist, die Aufmerkfamkeit auf die „Kunft auf
der Straße" zu wenden und dort festzuhalten. Ein
Preisausschreiben für die künstlerifch wertvollfte
Hausschmückung am Sedantnge war eine feiner
ersten Thaten, jetzt hat er nach guten Beifpielen aus
Zürich und Brüffel eine Preisbewerbung für Schau-
fenfter-Ausftellungen veröffentlicht, die gleich-
falls ausfchließlich nach künftlerifchen Gefichtspunkten
entfchieden werden foll. Andere Unternehmungen ver-
wandter Art werden folgen, um immer wieder die
Aufmerksamkeit auf das Moment der Schönheit auf
Markt und Gaffe zu lenken.

Daß er gerade das Schaufenster schon fo
früh am Beginn seiner Thätigkeit der Beachtung em-
pfohlen hat, halten wir für ein besonders glückliches
und nachahmenswertes Vorgehen des Dresdner Ver-
eins, das von offenem und gnnzlich unbefangenen
Blicke zeugt. Sähen wir mehr mit unfern freien
Augen und weniger durch allerhand Brillen, die uns
fchulmäßige Urteile aufgefetzt haben, es stände uns
viel mehr im Vordergrund des Bewußtfeins: daß
die Schaufenster für die Straßenbilder einer Stadt
ganz außerordentlich wichtig find, ja, für die abend-
lichen, wo sie zugleich helle Stellen im Dunkel be-
deuten, für Hauptstraßen wichtiger, als irgend et-
was anderes. Vergegenwürtigen wir uns deshalb
einmal, was etwa bei ihrer Ausgeftaltung der Kunft-
freund zu wünfchen hätte.

Da fich's nicht um rein künstlerifche, fondern
mehr um kunstgewerbliche Aufgaben handelt, werden
wir uns vor allem bewußt Halten müfsen: nur,
was dem praktifchen Zwecke nicht widerftreitet, ist
erlaubt, am meisten erwünfcht aber, am meiften
ftilgemäß, was gerade dem praktifchcn Zwecke
dient. Wer feine teure Ladenmiete bezahlt, weil
er sich vom vorüberflutenden Verkehr einen Zufluß
von Käufern verspricht, hätte das vollfte Recht, Zu-
mutungen zu netten aber „ungefchäftlichen" Arran-
gements abzuweifen: er muß vor allem fein Brot
fuchen. Die hier dienende Kunft darf ihn also in
feinem Erwerbe nicht hindern wollen, fie muß eher
fuchen, ihn zu fördern, und fie kann das.

Was find nun die Grundlagen, auf denen fie
gestalten foll?

Das Schaufenfter liegt zwischen Laden nnd
Straße, zwifchen Jnnen- und Außcnraum, mit der
entfchiedenen Absicht, die Aufmerkfamkeit der Men-
schen draußen nach Möglichkeit auf das zu lenken,
was drinnen ist. Obgleich es zumeist gleichzeitig



Licht in den Laden führt, ist's alfo feinem Wefen nach
dem gewöhnlichen Fenfter entgegengefetzt, das zur
Hauptgeltung vom Jnnenraum herkommt. Feinfüh- !
lige erkennen schon lüngft die künstlerische Verirrung,
die im Erstreben möglichst großer Glasfcheiben für die
Fenster derWohnzimmer lag, und vermeiden die häßlich
„lochartige" Wirkung, die dadurch entfteht, durch Glie-
derung der Fensterflächen mit Stein, Holz oder Blei
— noch Niemand aber ift es beigekommen, derarti-
ges für Schaufenster zu empfehlen. Jm Gegenteil,
wir dürfen fagen: das moderne Schaufenster ist ein
Ding, deffen rechte Ausgestaltung erft durch die Fort-
fchritte der Glasfabrikation ermöglicht worden ist.
Teilungen, die der ästhetifche Sinn im Zimmerfenfter
verlangt, bei der Scheibe des Schaufensters stören
sie uns. Ganz unwillkürlich empfinden wir diefe
nicht anders —- als das Glas über einem Bilde.

Ueber einem Bilde, das ist es: das Schaufenster
steht überhaupt in kunstgewerblicher Beziehung, wie
die Schaubühne, unter dem äfthetischen Begriffe des
Bildes. Wen hütte auch eine Straße mit einer
Reihe schöner Schaufenfter noch nicht an eine Bilder-
galerie erinnert?

Ein Bild soll einen Rahmen hnben, der es
deutlich von der Umgebung abhebt und womöglich
feine Vorzüge zu höherer Geltung bringt. Der ge-
gebene Rahmen des Schaufenfters ist feine Um-
mauerung. Nicht immer wird das von unfern Archi-
tekten klar betont, dann und wann wird der Kauf-
mann wohl daran thun, feinem Waarenbilde durch
einen zweiten, inneren Rahmen (und beftehe er nur aus
paffenden Vorhängen) aufzuhelfen, insbesondere im
Hinblick auf den Abend, wo diefer innere Rahmen noch
mit beleuchtet, also noch zur Mitwirkung mit dem
Bilde gebracht werden kann.

Die abendliche künftliche Beleuchtung ist über-
haupt bei der ganzen Sache ein höchft wichtiger und
der Punkt, wo gegen das künstlerische Empfinden
des Publikums und das Jntereffe der Ladeninhaber
am allermeiften gefündigt wird. Fragt man fich doch
bei einem Gang durch unfre abendlichen Straßen:
was wollten die Leute denn eigentlich: ihre Schau-
fenfterauslagen oder aber die Straße beleuch-
ten? Zeigt mir ein Lampenladen all feine Lampen
im Brand, fo hat das noch Sinn, obgleich mich die
Sache vielleicht blendet und obgleich das Wirrnis
der Lichtquellen wahrfcheinlich eine folche Konfufion
von Lichtern und Schatten auf den Metallen an-
richtet, daß ich von den ausgestellten Gegenftünden
keine deutlichen Bilder bekomme. Jn andern Schau-
läden aber verdanken die zahlreichen mitausge-
ftellten Flammen und Glühkörper ihr Dasein nur
der Gedankenlofigkeit. Denn es ift, als wollte man
im Theater den Zuschauerraum von der Bühne aus
 
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