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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 9.1895-1896

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Heft 21
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11730#0345

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» Ikunstblütter uud Wildervverke.

jd h otc> gr axh ien und Photograv üre n nach der
ttatur aus dem Verlage von Otto Schmidt in Wien.

Ein Katalog mit Miniaturen, der zunr Preise von
5 Mk. vom Verlage aus Wien (Münzwardeingasse zu
beziehen ist, verweist aus eine recht große Anzahl photo-
graphischer künstlerischer Studien, wie sie in solcher Art
ivohl noch nicht in den Handel gebracht sind. Da finden
wir Bauernhäuser, Burgen und Schlösser, Kapellen und
KÜrchen, Straßenbilder, Jnterieurs und Einzelausnahmen
mannigfaltigster Art, dann Photographien einer Menge
interessanter kunstgewerblicher Gegenstände, ferner Felsen-
und besonders zahlreiche Baumstudien, schließlich auch,
nach einem besondern Kataloge, weibliche und Kinderakte.
Der Katalog bringt eine Übersülle wirklich „malerischer"
Motive, unter denen jeder Kunstfreund Jnteressantes finden
ivird, die Bilder selbst sind gut ausgeführt und preiswert.
Es handelt sich um ein wirklich ernstes und nützliches
Unternehmen, das Unterstützung durchaus verdient.

Vermiscbtes.

* * Ikunst und ^czialdemokrqtlc. Da wir nicht der
Mcinung sind, daß den Sozialdemokraten gegenüber mit
dcr Politik des Mundtotmachens viel gcthan sei, im Gegen-
teil zwischen dieser Politik und der des Vogels Strauß
den Unterschied nicht recht erkennen, so legen wir unsern
Lesern wieder einmal vor, was ein sozialdemokratisches
Blatt über seine Partei und die Kunst sagt. Jn der
„Sächsischen Arbeiter-Zeitung" stand jüngst das Folgende
zu lesen, zu dem wir unsere zivei Worte nachher sagen
wollen:

„Unsere Gegner behaupten gewöhnlich, wir, die Sozial-
demokratie und das Proletariat, dessen Jnteressen wir
vertreten, seien Barbaren, bewußte Feinde jedes höheren
und geistigen Lebens und seineren Genusses, und daher
werde unser einstiger Sieg unzweiselhaft den Nliedergang
aller Kunst bedeuten, welche ja zu ihrer Existenz eines
verständnisvollen Publikums bedürfe. Da diese alberne
Nachrede zu denen gehört, die uns nicht direkt schaden,
wie etwa die Redereien über unsere Stellung zur Familie,
so pflegt sie meistens unwiderlegt zu bleiben. Trotzdem
muß einmal ein Hinweis darauf gestattet sein, wie die
Dinge wirklich liegen.

Es ist natürlich selbstverständlich, daß der Arbeiter,
der den Tag über angestrengt körperlich thätig sein muß,
den Abend unter Sorgen um seine Existenz verbringt, zu
arm ist, um sich teurere Kunstgenüsse zu gestatten, daß der
nicht das feine Verständnis sür die Dinge haben kann,
wie Glieder einer Klasse, die Zeit, Ruhe, Geld und Ge-
legenheit haben, sich ihrem Geschmack entsprechend zu
bilden. Da wir aber ja diese Dinge bessern wollen, so
wird sich alsdann auch das ändern.

Um eine richtige Vorstellung zu bekommen, muß man
nur einmal betrachten, wie denn die heute herrschende
Bourgeoisie die Kunst behandelt.

Jm Zeitalter des Kapitalismus wird alles Ware, auch
das Kunstwerk, und wird jeder Arbeiter oder Unternehmer,
und dem muß sich auch der Künstler sügen. Da die Unter-
nehmerthätigkeit darin besteht, aus der Arbeit anderer
dlutzen zu ziehen, so ist es von vornherein klar, daß wir
die Künstler, welche ja selbst produktiv arbeiten, nicht in
ihren Reihen zu suchen haben. Sie gehören zu der Klasse

der von den Unternehmern ausgebeuteten Arbeiter; einige
unter ihnen schivingen sich zu hohen Einnahmen aus,
bilden aber die Ausnahme; der größte Teil ist zu ewiger
Frohnarbeit im Dienste von Unternehmern verdammt;
und das sind nicht nur die unbekannten, sondern auch viele
berühmte und große Künstler.

Bekannt ist das Verhültnis der Maler zu den Kunst-
händlern. Rein zahlenmäßig betrachtet, gibt es keine
größere Ausbeutung, als die hier stattfindet. Auch von
sehr bekannten Künstlern kauft der Kunsthändler Gemälde
oft sür nur den fünften Teil ües Preises, für den er sie
nachher weiter verkauft; in sehr vielen Fällen steht der
Künstler imVorschuß, also in einer reinen Schuldknechtschaft;
alsdann erhült er von dem Händler natürlich noch weniger
als sonst. Durch den Lenbachschen Bilderdiebstahl wurden
diese Dinge dem großen Publikum etwas bekannt; aber
es kommen noch tollere Sachen vor. Böcklin z. B. hatte
noch bis vor zehn Jahren, wo er doch schon längst ein
anerkannter Künstler von Weltruf war, dessen Bilder in
allen össentlichen Galerien hingen, einen Kontrakt mit dem
Kunsthändler Gurlitt, wonach ihm dieser seine Bilder
Stück sür Stück für q.00 Mk. abkaufte; mindestens für das
zehnfache verkaufte er sie wieder weiter; ja, unter diesen
Bildern war die jetzt im Leipziger Museum besindliche
»Toteninsel«, die er für -^oooo Mk. verkaust hat. Das ist
nur ein Beispiel; es können noch hunderte angeführt
werden.

Mit den Dichtern geht es bekanntlich ähnlich. Sie
stehen in genau demselben Verhültnis zu den Verlegern;
die Musiker zu ihren Entrepreneurs; die Schauspieler zu
ihren Theaterdirektoren. Die letzteren sind bekanntlich
noch außerdem in derartiger Abhängigkeit, wie nicht ein-
mal ein Dienstbote; als der Berliner Polizeipräsident ver-
sügte, daß die Schauspieler Dienstbücher führen sollten,
wie das Gesinde, hat er sie nicht etwa in ihrer Stellung
herabgedrückt; die Gesindeordnung würde ihnen mehr Frei-
heit geben, als sie jetzt haben.

Der wahre Künstler ist natürlich so sehr von seiner
Kunst eingenommen, daß er sein ganzes Jnteresse auf sie
konzentriert und deshalb in Geldsachen und allem, was
damit zusammenhängt, in der Regel sehr unpraktisch ist.
Daher kommt es, daß von allen Ausgebeuteten er der
Ausgebeutetste ist. Wer von der Kunst leben muß, hat
der Natur der Sache nach eine sehr unsichere Einnahme-
quelle; Künstlerelend hat es daher stets gegeben. Aber
ehe sich die kapitalistischen Vamppre herausbildeten, die
heute den Löwenanteil vom Ertrag seiner Arbeit bean-
spruchen, war das Elend doch noch nicht so groß. Millet
war schon ein Mann von 60 Jahren, als die Handler ihm
seine Zeichnungen mit 25 Frcs. das Stück bezahlten, und
er noch im ungeheizten Atelier arbeiten mußte, weil er
kein Geld hatte, Kohlen zu kaufen. Hätte er das Geld
gehabt, was heute sür eine einzige solche Zeichnung gezahlt
wird, er hätte sein ganzes Leben lang bequem existieren
können.

Natürlich leidet die Kunst unter diesem Elend der
Künstler. Wieviel Talent geht zu Grunde in dem Kampf
um das dürftigste Brot, wieviel begabte Künstler sind
direkt oder indirekt dem Hunger zum Opfer gefallen, und
wieviel mehr hätte aus vielen, die sich trotzdem durch-
gerungen haben, werden können, wenn sie nicht mit ihrer
Mühe hätten ihre Ausbeuter ernähren müssen!

Selbstverstündlich sind die Künster nicht so dumm,
daß sie das nicht merkten. Der bei weitem größte Teil
 
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