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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0103

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Napoleonkultus in Baden.

unbegreiflich es auch dem heutigen Geschlecht erscheiuen
mag, in meiuer Jugend gab es in Baden und den Ländern am Rhein
überhaupt Franzosenfreunde in großer Zahl; mein Vater, dessen Fran-
zosenliebe ich bereits erwähnte, stand somit nicht allein. — Wie war
dies möglich? Konnten sich deutsche Münner den Lehren der vater-
lündischen Geschichte so ganz verschließen? — Hatte nicht Frankreich
seit Jahrhunderten Heer auf Heer über die Grenze geschickt, Deutsch-
land verwüstet und ausgeplündert, seine Städte verbrannt nnd große
Provinzen vom Reiche gerissen? — Was im Osten der Türke, war
im Westen der Franzose, ja schlimmer als der Erbfeind der Christen-
heit hatte der allerchristlichste König auf dem deutschen Boden gehaust,
und in den Trümmern des Heidelberger Schlosses hallte es immer noch
wieder von dem Rufe der wälschen Mordbrenner: „Lnulsr: lo Nnlntinnb!"

Jn den nennziger Jahren des verwichenen Jahrhunderts hatten
unsre Nachbarn das Lilienbanner mit der Trikolore vertauscht. Unter
dem Feldgeschrei: „Krieg den Palästen!" „Friede den Hütten!" zogen
sie über den Rhein. Aber die Beutegier war die alte, und sie schonten
ebensowenig die Hütte des Bauern, wie das Schloß des Edelmanns.
Kamen wir Schüler in den Ferien nach Wiesloch, so erzählte uns der
alte Posthalter Greif, der noch die Kriege der Repnblik erlebt hatte, abends
in den drei Königen, ehe er am Wirtstisch müde einnickte, Geschichten
aus den Tagen, da die Sansculottes bald siegend, bald geschlagen
durch die Pfalz zogen. „OllnnAss! ellnnK'ssU riefen sie auf der
Landstraße den Begegnenden zu, die besseres Schuhwerk trugen, und
 
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