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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0177

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Die allgemeine Studentenschaft.

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Hassenpflug, Abel und wie die Kreaturen Metternichs sonst rwch
hießen. Das Uebel sei schwer zu heilen, aber es müsse gelingen, wenn
man richtig vorgehe. Um das Mensurwesen zu erhalten, benützten
die Korps mit vielem Geschick die Scheu der deutschen Jugend, feig
zu erscheinen. Sie würfen der Opposition vor, daß sie die Korps nur
aus Mensurscheu bekämpfe. Darum suchten sie die Duellgegner
durch beleidigende Herausforderungen zum Pauken zu zwingen, und
wenn dies gelinge, sei ihr Zweck erreicht: das Mensurwesen dauere
fort. Man habe es ja erlebt, daß Reformverbindungen mit der Ge-
wöhnung an das Pauken zu Waffenverbindungen und schließlich zu
Korps geworden seien. Durch Ehrengerichte ließen sich solche, rein
aus Paukwut gestellte Forderungen einfach abweisen, aber es müßten
sich wenigstens ansangs Burschen an die Spitze der Bewegung stellen,
die durch ihre Vergangenheit über jeden Verdacht der Feigheit er-
haben seien, somit vor allen solche, die das Waffenspiel mitgemacht
hätten. Er schlage mir vor, mit ihm und andern gleichgesinnten
Burschen der Suevia das Banner der Reform aufznstecken.

Jch zauderte, obwohl die Jdee mir einleuchtete, aber ich lief
Gefahr, bei dem Unternehmen einen großen Teil meines letzten
Semesters zu verlieren und den Termin der Staatsprüfung hinaus-
schieben zu müsfen. Dennoch ließ ich mich überreden, den Vorschlag
mit einigen unserer Korpsbrüder zu besprechen, von denen wir wußten,
daß sie unsre Ansichten teilten. Es waren 8tmä. sun. Franz Volk
aus Offenburg, stuä. euim Heinrich Lepique und Aiiä. ffiü. Edmund
Kämm, beide 'aus Karlsruhe. Sie begrüßten das Vorhaben mit
Freude, und wir setzten es ungesäumt ins Werk, denn rasch reift zur
That der Entschluß der Jugend.

Wie war es möglich, daß wir glauben konnten, mit der studen-
tischen Resorm und namentlich mit der Bekämpfung des Paukwesens
ein großes patriotisches Werk zu thun? Heute, nach mehr als 50 Jahren
und fast dreißig Jahre nach der Gründung des deutschen Reichs, ist
es schwer, sich in jene traurigen Zeiten zurückzuversetzen, wo der Bundes-
tag farbige Bünder und Mützen fürchtete, der Gedanke der Reichs-
einheit mit Zuchthaus, Rad und Richtbeil bedroht war, und selbst
 
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