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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0339

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München.

319

wogen und ein rücksichtsloser Vertreter der Omnipotenz des Staates.
Bessere Zeiten kehrten für das Kindlein wieder, als mit dem Tode
Max Josefs, 1825, Ludwig I. den Thron bestieg. Anfangs zwar
schüttelte es den Kopf bedenklich, als mit den Mönchen und Nonnen
die leicht geschürzten Musen aus Hellas auch in die Stadt einzogen,
aber vergnügt sah es bald die Kunst mit der Kirche bei Bock und
Salvator sich gut vertragen.

Die große Bedeutung König Ludwigs I. für die deutsche Kunst
wird erst heute ganz begriffen; wie der Ritter im Märchen des Dorn-
röschen, hat er sie ans totenähnlichem Schlummer erweckt. Aber die
Jugend der vierziger Jahre sah in dem König lediglich einen Tyrannen
nach medicäischem Vorbilde, der die Staatsmittel des armen Baiern in
Banten und in den Launen seiner künstlerischen Neigungen verschwende.
Daß die Millionen, die er mit methodischer Berechnung aufwandte,
einst der Hauptstadt Baierns und dem ganzen Lande, ja der deutschen
Kunst, reichen Zins tragen würden, ahnte kanm jemand, und vollen
Dank erntete er während seiner Regierung nur bei den Künstlern,
denen er eine große Stätte schuf.

Obwohl der König gut deutsch gesinnt war, hat er die Znneigung
der patriotischen, aber zugleich frei gesinnten dentschen Jugend nicht
besessen, denn ansgewachsen in dem Glauben an die unbeschränkte
Macht der Fürsten von Gottes Gnaden, wollte er kein Titelchen seines
göttlichen Rechtes preisgeben und haßte die von seinem Vater dem
Königreiche 1818 verliehene Verfassnng. Er meinte, seines fürstlichen
Amtes gerecht zu walten, wenn aber die Gerichtshöfe das Gesetz nicht
nach seinem Gefallen anslegten, ließ er die Richter seine Ungnade
sühlen. Vor dem Landtage 1831 hatte er feierlich erklärt, er möchte
kein unbeschränkter Herrscher sein, aber auch loyalen Männern von
liberaler Gesinnung ließ er bei der großen Demagogenhetze der dreißiger
Jahre bös mitspielen. Wir jungen Mediziner beklagten mit tiefem
Mitleid das herbe Los des On. Eisenmann, eines der besten Schüler
Schönleins. Die Gerichte hatten ihn aus nichtigen Gründen wegen
Hochverrats zum Tode verurteilt und der charakterfeste, zu Kerker-
strafe begnadigte Mann blieb 16 Jahre in der Frohnfeste eingesperrt,
weil er sich unerschntterlich weigerte, vor dem Bilde des Königs die
 
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