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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0375

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Umschau iu Wieu.

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die Ausflügler erwarteten. Es waren Bauernwageu, sog. Leiterwagen,
mit Bäuken; in frühester Morgenstunde standen sie schon bereit und
entführten uns zn irgend einem der Dörfer in der Umgegend. Von da
ans wanderten wir dann weiter nach vorgesteckten Zielen von Ort
zn Ort, durch Feld und Wald, und kehrten meist erst spüt am Abend
zurück. Ueberall lagerte in Hvfen und Gärten, unter schattigen
Bäumen und am frischen Wiesenquell, fröhliches Volk und erfreute sich
bei Zitherspiel, Gesang und Tanz seines Daseins. Diese Ausflüge
gehören zu den schönsten Erinnernngen meines Wiener Aufenthalts.

Wir nahmen unser Frühstück in den Kaffeehäusern, unsere Mahl-
zeiten in den Speisehäusern der Alservorstadt, ausnahmsweise, je nach
den Umständen, in andern Stadtteilen. Die Wiener Küche stand unsrer
heimischen nahe und mundete uns wohl, ebenso fanden wir die leichten
Weine des Landes, mit Wasser gemischt, wie der Wiener sie trinkt,
angenehm und zuträglich. Auch lernten wir bald die Küchensprache
des Landes, bestellten uns zum Frühstück „Kapnziner" mit „Kipfeln"
und zum Mittag- und Abendtische in der ersten Zeit mit Vorliebe Ge-
richte mit uns fremden Namen, was mitunter zu verdrießlichen Tünsch-
ungen führte. Ungrisches Rebhuhn erwies sich als gemeine Sülze, Kaiser-
fleisch als „geselchtes" Schweinefleisch, Jungfernbraten als „Schwei-
nernes" mit Wachholder. Km schlimmsten fuhr ich an einem der
ersten Abende mit Paprika-Mlasch, zerstücktem Schmorbraten, stark
gewürzt mit ungarischem Pfeffer. Wie höllisches Feuer brannte mich
mein empfindlicher Gaumen die ganze Nacht und ich litt unsäglichen Durst.

Die Preise für Wohnung und Kost verhielten sich zu denen in
der Heimat, wie der österreichische Münzgnlden zum rheinischen Silber-
gulden, etwa wie 2 Mark zu 1 Mark 72 Pfennig. Einige Aufzeich-
nungen aus meinem Ansgabebuch teile ich mit, einem und dem andern
Leser mögen sie Jnteresse bieten. Für unsern „Kapnziner", das heißt,
den Kafsee am Morgen mit „Obers" (Rahm, Sahne) und Kipfeln,
zahlte ich 10—12 Kreuzer Münz. Mein Mittagessen bestand in der
Regel aus Suppe, zwei Fleischspeisen mit Beilagen, einer Mehlspeise
und einem Seidel weißem Wein. Die Speisen wurden auf der Karte
ausgewähtt. Für Essen und Wein zusammen zahlte ich höchstens 30 bis
40 Kreuzer Münz. Als Abendessen finde ich einmal genau notiert
 
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