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„Wo ist die Mutter,
Kindern eines oerliert,
bis ste es stndet?
die, wenn fie von ihren zehn
dassclbe nicht jammervoll sucht
Und wenn ste es gefunden hat, rust fie ihre Freundinnen
und Nachbarinnen und spricht: Freuet Euch mit mir, denn
ich habe mein Kind gefundcn, das ich verloren hatte.
„Also, sag' ich Euch, ist auch Frcude untcr den Freun-
den der Menschheit über einen Verirrten, der stch in den
Armen der liebendcn Menschheit wiedergefunden."
Die Zeitungsannon^e.
Lin Wild dem L-eüen.
1.
(I
Z-
Jn einem gemüthlichcn net-
ten Dörflein lebte still und zu-
frieden der Bauer Hans Mül-
ler mit Greten seinem hüb-
schen, fleißigen Weibc.
H a ns Müller hatte einen
stattlichen Hof, und sein Ge-
sinde liebte und schätzte ihn.
Freilich stach sein Wohlstand
manchem Nachbar giftig in's
Auge, doch genoß Müllcr
dafür die Achtung aller wackern
Btcnschen in und außer dem
Dorfe seiner blühenden Hei-
math.
All dem nach zu schließen
konnte man Müller für recht
glücklich halten, und doch war
cr nichts wcniger als dieß. Einmal hatte ihiii der Himmel
nach beinahe fünfjähriger Ehe noch immer keinen Leibeserben
geschenkt, nnd zum Andern stand Müller mit dem
Herrn Pfarrer des Dörfleins nicht zum allerbesten. Was
dieß sagen will, ist uns sattsam aus Dorfgeschichten bekannt.
Niemand jedoch wußte eigentlich, wodurch die Spannung
zwischen beiden entstanden sein mochte; nur soviel war den
Leuten erinnerlich, daß die Hochwürdcn in frühercr Zeit, und
namentlich gleich nach Müller's Hochzeit ein täglicher Gast
in dessen Haus waren, und ihre Befuche selbst dann nicht
einstellten, wenn Müller in Geschäften wochenlang vom
Dorfe fern wcilte. Mit einemmale hörte dieß auf, und des
PfarrerS Freundschaft für dieses Haus schien einem ver-
steckten Groll, .dessen Grund für die gutmüthigen Dorfbe-
wohner freilich ein Räthsel blieb, gewichen zu scin. Diescr
heirnliche Verdruß nahm bald cine offenere Gestalt an, als
Müller, den die Natur mit einem gesunden hcllsehenden
Verstand begabt hatte, bei versck'iedcnen Gelegcnheiten kräftig
und warm die Sache des „Fortschritts" vertrat.
Dcs Pfarrers Jngriinm'hatte nun — Dank den Er-
folgen der riesenarmigen Reaction! cin ehrbares Gewand
zur Umhüllung, nnd bald ward Müller im Dorfe als
„Wühler", und was damit glcichbcdeutend ist, als „Gott-
verläugner" verschrieen. Einschlägigc Kanzclreden verfehlten
nicht, auf die fromme Genieinde cinen weitern, schrecklichen
Eindruck zu niachen, und wenn auch der ehrliche Baucr hiezu
ungläubig den Kopf schüttclte, so hatten doch Seine Hoch-
würdcn die sämmtlichen Dorftagdiebe im Wirthshaus fest
und innig von Müllers verbrecherifchen Plänen überzeugt,
deren Ausführung das ganze
Dorf auf immerdar unglücklich
machen müßte. Seine Verbin-
dung mit den verworfenen
Demokraten und rothen
Rcpublikanernward dabei außer
allen Zweifel gesetzt. Bei alle-
dem blieb es jedoch auffallcnd,
daß der Pfarrer stets niit ci.
ner gewissen Zurückhaltung ver-
fuhr und Müllern nic per-
sönlich das ganze Gewicht
seines geistlichen Haffes fühlen
ließ, sondern seine Angriffe
gleichsam unbemerkt und
von rückwärts auf den Geg-
ner richtete.
So hatte fich denn allmälig
beim größeren Theil der Dorf-
bewohner eine Art Mißstimmung gegen Müller gebildet,
die in wirkliche Scheu und Verachtung überging, nachdem
mehrere schnell auf einander folgende Schicksalsschläge, durch
welche sein Wohlstand bedenklich erschüttert wurde, den gott-
losen Prophezeihungen des hinterlistigen Priesters zu Hilfe
gekommen waren.
So stunden die Sachen, als Müller eines Sommer-
abends müd uud hungrig vom Feldc heimkchrte, und sein
Leid über dic Feindseligkeit seiner Nachbarn Greten, dem
treuen Weibe, klagtc.
„Schau' Hans", sagte die Bäuerin zärtlich zu ihrem
Manne, „kümmere dich nicht über fie. Zuletzt, denn noch
lcbt der licbe Gott über uns wie frühcr, wcrden die
Schlichc des schlechten Priesters alle offenkundig werden. Und
gefällt's Dir gar nicht mehr in uns'rcr Heimath, so blieb
uns ja docb genug, um anderswo ein neues Leben an-
zufangcn. D'rum tröste dich Hans, denn schau, dein Weib
folgt dir überall hin, und sei cs über das Weltmecr."
Müller küßte sein gutes Weib, und lächelte ste freund-
licher an. So ging der einfache Jmbiß ziemlich einsilbig zu
Ende. Beide Gatten starrten, die Hände ineinandcrgcschlungen,
lautlos in das Abendroth hinein, dessen helle Tinten Garten
und Laube, in der sie saßen, mit einem rosigen Schein
übergossen.
„Du hast Rccht! Grete!" begann Müller endlich.
„Wir woklen wcgziehen von unserer Heimath, von dem Platze,
wo unsere und unserer Eltern Wicge stand, weil die Rach-
sucht eines hcuchlerischen Pfaffen uns das Leben hier zur
Qual und Verzweiflung macht. Wir wollen uns ein neues