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er die Klingel auf seinem Tische
handhabeiikoniite. Bei dem wohl-
bekannten Klange erschien eilig
ein Polizeidieuer uiid erhielt von
dcm noch immcr stohnenden Do-
gen den Auflrag, den Einwohnein
der Stadt durch den Austioiniuler
wissen zu laffen, sich bis Schlag
5 Uhr vor dcm Nathhause in
Masse einzufinden, sintemalen der
Herr Bürgermeister gesammter
Einwohnerschaft eine sehr wich-
tige erfreuliche Nachricht mitzu-
theilen habe.

Von einem Rudel jauchzender
Gassenbuben gefolgt, entledigte
stch dcr Stadttambour alsbald des
Austrages; der Doge abcr mühle
sich unterdesseii mit dem Auswcn-
digleruen der Nede ab, durch

welche er die Pfiffingcr von dem bevorstehendcn Glück in
Kcnntniß setzeu wollte, und nahm dabei vor dcm Spiegel
allerlei miiuische Erercitien vor, vcrmöge wclcher er eincn
besondern Eindruck auf das Volk hervorzubringen hoffte.

Von Zeit zu Zeit blinzelte er dazu durch die Fcnster-
Vorhänge auf den Rathhausplatz hinab, um zu sehen, ob
derselbe uoch nicht mit Menscheu bedeckt sei, denn die Stunde
der Miitheilung nahte sich. Zu seiuem großen Verdruß
warcn aber, einige alte Weiber und Kindsmädchen ausge-
nommen, fast gar keiue erwachsencii Persouen iu blicken,
und nur Pfiffingens hosfnungsvolle Jugend haite sich in
zahlrcichcn Schaaren eiligefuiiden, welche vor der Treppe
des Nathbauses eiiistweilen sich herumbalgtcn. Zum stci-
genden Mißfallcn sowohl als zum Staunen des Togen
hatte der Rathhausplatz sogar um 5 Uhr nocp keinen an-
dern Karakrer angenomiiien. Ter Toge war darüber ganz
blau vor Aerger, schimpfte vorher noch ten Stadtrroinmler
tüchtig herunter, daß cr nichk ordentlich getrommelt habe
und stieg dann, augethan mir seiner Medaille, dic Trcppe
binab, um den Pfiffingern, oder vielmehr dcn Pfiffinger
Straßenbuben, das große Geheininiß zu verkünden.

Kaum war aber der würdige Mann unter der Thür
tcs Nathhauses erschicnen, als ihm der Pfiffinger Nachwuchs
im furchtbarcn Chorus entgcgen brüllte: „Wir wiffen's
schon, wir wissen's schon, bis uächsteu Samstag kommt der
Kvnig. Vivat hoch! Vivat hoch!"

Der über dieicn Vcrralh seines rhcurcii Gehcimuiffes
cntsetzte Toge wäre vor Sckreckcn zusammengesunkcn, wcnn
er nicht noch den Arm des ihm zur Seite stebcndcn Poli-
zcidicuers erwischt hätte. Mit stiercu Augcn klotzte cr hin-
unter aus die Pfiffinger Gaffenjungen, die sick unter dem
sortwährenden Geschrei: „Wir wissen's sckon, wir wissen's
schon! Vivat hock! Vivat hock!" langsam veiliefen; er
war um einen scköiien Pioment betrogen wordcn und ließ
sich von dem Polizeidicner unter mchrfachem „Uf, Uf" in
seine Wohnung geleiien, wo er in den Armen sciner zärt-
lichen Ehehälste dem gepreßten Herzen Lufi machte, und

dann wie gewöhnlich zur Frau
Zappelmeierin ging, um wic gc-
wöhnlich seine sechs Halben zu
trinken. Tarok spiclte cr an diesem
Abend nicht, denn begreiflicher
Weise war in Pfiffingen (und so
auch bei der Frau Zappelmeierin)
von uichts Andcrm mehr dje Rede
als von Pfeideausspaniien, wobei
schon die mannigfachsteii Rivali-
täten auftauchten.

IV.

Bis zu dem Tage, wo Sr.
Majestät durch Pfiffingeu koiumen
sollte, hatte man noch 4 X 24
Stuuden vor sich, was dem Bür-
germeister freilich viel zu wenig
war, um dic hinreicheuden Anstalteii
zu cinem würdigen Empfangc zu
treffen. Als er amsolgenden Morgcn
wieder seine ganze Fassung erlaugt hatte, war sein Erstes,
daß er bei den Rathsherren und Gemeindebevollmächtigten
in aller Frühe eine außerordentliche Sitzung ansagen ließ.
Kein einzigcs Mitglied bcider Kollegicn blicb aus und der
Doge verschaffte stch nun die Genugthuung, hier seine, ge-
stern für die Menge vor dem Rathhause bestimmte patheti-
sche gkede wenigstens zum Thcil noch anzubringen. Be-
schlossen wurde nach längercr Debatte, dem Bürgermeister
mit diktatorischen Vollmachten zur Anordnung aller Em-
pfangsfeierlichkeiten zu beklciden, und daß derselbe stch hicrzu
uach Belieben mit den ihm passend scheinenden Männern
umgeben möge; dem Pferdeausspanneii sei natürlich die gc-
börige Nücksicht zu widmen. Hieraus zerstreuten stcki die
ehrbaren Mikglieder beider Kollegien; die Einen zur Frau
Zappelmeierin, die Andern zur Frau Schnibbelmeierin, um
ihre Anflchten übcr das Pserdeausspaniicn gegenseitig weiter
auszutauschen.

Wer aber nun durch den gefaßten Beschluß ganz in
seinem „jFsse" war und in cineni Freudenmeere schwamm,
das war der Doge. Zu Mitgliedern der Empsangs-Feier-
lichkeiten-Anordnungs-Kommission ernaunte er auf der Sielle
die Nathsherren Bummel und Füßwinklcr und den pensto-
nirten Oberlicutenant, und ließ ste auch durch den Pvlizei-
dicner soioit bei der Frau Zappelmeicrin, wo ste sich noch
sämmtlich befaiidcn, mit Bescklag belegen.

stlls der Togc seine Leute beisammcn hatte, erklärte
er vor allererst die Kommission für pcrinancnt und fing nuii
die Berathungcn au, die cr, glühendcn Eifers voll, unbe-
kümmcrt um die Mitragsstunde fortgesetzt hätte, wenn nicht
der penstonirte Oberlieutenant aus seinen knurrenden Magcn
und damit auf die Nothwendigkcit aufmerksam gcmachr
häile, die Sitzung wenigstens eine Stunde lang auszusetzen.
Dies geschah denn auch, allein bcreiis ^/. auf 1 Uhr besand
sich der Doge schon wiedcr auf seincm Posten und trippcltc
ungeduldig hin und her bis die übrigen Empfangs-Fcicr-
lichkeitcn - Anorduungs - Kommissions - Mitglieder ersckicnen
waren, um daS großc Werk vollends in's Rcine zu bringen.

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