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Kap. IV. Die bild. Kunst Italiens im 16. Jahrh. 2. Malerei. 591

1534). * Er ging aus der oberitalienischen Schule hervor, wurde wahr-
scheinlich durch einen lomhardischen Künstler Francesco Bianchi Ferrari
und durch Einwirkungen der Schule Mautegna's gebildet und erhielt dann
durch Lionardo bedeutende Anregungen. Was bei jenem grossen Meister
noch im Keim und in strenger Schranke als süsse Anmuth hervortrat und
in einem zarten Schmelz der Farben seinen Ausdruck fand, das erhielt
durch Correggio ' seine consequente, aber auch rücksichtslose Ausbildung.
Schon als jugendlicher Künstler muss er ein ungemein reizbares Gefühl
besessen haben, denn er gehört zu den frühreifsten Talenten, welche die
Kunstgeschichte kennt. Mit dieser gesteigerten Fähigkeit des Empfindens,
mit dieser nervösen Erregbarkeit begabt, geht er in seinen Werken dar-
auf aus, gerade diese Seite des inneren Lebens zur Geltung zu bringen.
Er taucht seine Gestalten in ein Meer von Jubel und Entzücken, erfüllt
sie mit berauschender Lust und Wonne und gibt selbst der Schmerz-
empfindung einen halb süssen, halb wehmüthigen Ausdruck. Was Hoheit,
Ernst und Adel der Formen, was gemessener architektonischer Ehythmus,
was fein abgewogene Linienführung ist, weiss er kaum. Er will nur Ge-
stalten in lebhaftem Ausdruck des Affekts, voll innerer Erregung und in
rastloser äusserer Bewegung darstellen, und um dies zu können, löst er
alle strenge Tradition, überspringt sowohl die Gesetze religiöser Auffassung
wie künstlerischen Herkommens. Wer seine Gestalten sieht, begreift leicht,
dass sie eine andre Heimath haben, als die der übrigen grossen Meister.
Seine Madonnen und Magdalenen zeigen dieselbe mehr genrehafte Gesichts-
bildung, denselben feuchten, verschwimmenden, zärtlich schmachtenden
Blick, die kleine Nase und den überzierlichen, ewig lächelnden Mund wie
seine Danae, Leda oder Io. Er schildert gern die Wonne leidenschaft-
licher Hingebung, aber der Ausdruck ist derselbe, ob er himmlische oder
irdische Liebe malt. Wie hinreissend er aber die Zauber der letztere»
auch zu schildern weiss, wie er die weichen, schwellenden Glieder vom
Bausch des Entzückens durchbeben lässt, immer bleibt — mit seltnen
Ausnahmen — die Stimmung rein, lauter und wahr, und desshalb würdigt
er in seinem Sinn auch seine Heiligengestalten nicht herab, wenn er sie
zu Trägern derselben Empfindungen stempelt. Er versetzt Alle in den
Zustand paradiesischer Unschuld zurück und darin liegt das Eecht seiner
Darstellung.

Sein eigentliches Ausdrucksmittel aber ist das Licht, wie es in sanfter
Mischung mit der Dämmerung, durchwebt mit zarten Reflexen und durch-
sichtigen Schatten, als Helldunkel die Gestalten umspielt und wie ein
elektrisches Fluidum die Lüfte wie mit dem Wehen süsser Empfindungen
durchhaucht. In der Durchführung dieses Helldunkels mit seinen leisesten
Abstufungen und Nuancen ist Correggio einer der ersten Meister der

1 Denkm. d. Kunst, Taf. 75.
 
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