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Lübke, Wilhelm
Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart — Leipzig, 1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.26748#0183

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Zweites Kapitel Etruskische Baukunst.

161

Säule von der Cucumella
zu Volci.

Die Säulen hatten eine Form, welche zwar entfernt an die des dorischen Details.
Styles erinnert, doch in der künstlerischen Wirkung von dieser sehr verschie-
den ist. Sie hatten, wie die bei Volci in einem Grabhügel gefundenen Reste
zeigen (Fig 113), eine Basis von höchst ungeschickter Gestalt, deren Hauptglied
aus einem schwerfälligen ausgebauchten Wulst bestand, auf welchem eine
schmale Platte lag. Da auf ältesten Vasenbildern auch die dorische Säule
bisweilen eine besondre Basis zeigt, so hat man darin eine
primitive, bei den Etruskern länger beibehaltene Form zu
erkennen. Das Kapital dagegen umfasste alle Elemente
des dorischen, aber in gänzlich abweichender Bildungs-
weise: die Platte war hoch, der Echinus breit ausladend,
dabei doch sclnväclilich, ohne Elasticität der Linie, die
Ringe endlich stumpf profilirt und um den Schaft der Säule
statt um den Echinus gelegt. Endlich weicht die ganze
Gestalt der Säule von der dorischen wesentlich ab, da
die Länge ihres Schaftes sieben untere Durchmesser be-
trägt. Diese Schlankheit, in Verbindung mit den überaus Künstieri-
weiten Abständen und der unkräftigen Bildung der Details, Charakter,
muss dem ganzen Bauwerk einen nüchternen, unlebendi-
gen Ausdruck gegeben haben, der durch das hohe Dach
noch verstärkt wurde. In der dorischen Architektur bot
sich uns ein Ganzes, an welchem die einzelnen Glieder im
wirksamsten, glücklichsten Wechselverhältniss zu einander standen, wo die
Säulen mit ihren geringen Zwischenweiten den Anblick eines lebendigen
Rhythmus gewährten, wo der auf ihnen ruhende Bau durch klare Profilirung
und energische Schattenwirkung sich leicht und sicher von jenen abhob. Liier
aber treten die Säulen, obendrein durch eine besondere Basis isolirt, zu weit
von einander, um nicht den Eindruck des mühsam zu einem Zwecke Zusam-
mengehaltenen hervorzurufen; das Dach wuchtet schwer auf ihnen und er-
scheint wie eine dem Unterbau aufgezwungene fremdartige Last. Mit einem
Worte: im dorischen Bau die Einheit eines organischen Lebens, im etruskischen
die Zwiespältigkeit einer mechanischen Zusammensetzung; dort die Sicherheit
harmonisch verbundener Glieder, hier das Unbehülfliche ungefüger Theile.

Wir verstehen daher den Ausspruch Vitruv’s, der diesen Tempel „niedrig,
breit, gespreizt und schwerköpfig“ nennt. Auf die innere Verwandtschaft
dieser Bauform mit dem oben geschilderten Charakter des Volkes brauchen
wir nur hinzudeuten*).

Unter den erhaltenen Denkmälern nehmen die Grabmäler einen vor- Feisgräber.
zitglichen Platz ein. Dies sind grossentheils ausgedehnte unterirdische, in
dem Gestein des Gebirges ausgehöhlte Räume, Grabkammern darstellend,
deren meist gerade Decke auf viereckigen Pfeilern ruht. Selbst da, wo eine
Wölbung ausgemeisselt ist, trägt diese die Andeutung hölzernen Sparren-
werkes. Dies, sowie die Wandgemälde in lebhaften Farben, mit welchen die
Grabkammern geschmückt sind, erinnert an die Ausstattung altägyptischer
Felsgräber. Eine besondere architektonische Wichtigkeit erlangen diejenigen
von diesen Anlagen, welche da, wo sie zu Tage treten, mit einer dem schräg
ansteigenden Felsen aufgemeisselten Fagade geschmückt sind. Die einfachsten
und wohl auch ältesten derselben (Fig. 114) enthalten nur eine Blendthür in

*) Ueber den etruskischen Tempel vergl. Vitruv lib. IV, cap. 7.
Lübke, Geschichte d. Architektur.

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