Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Lübke, Wilhelm
Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart — Leipzig, 1865

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26748#0254

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
232

Drittes Buch.

Orientali-
sche Ein-
flüsse.

Geschieht!..

Bedeutung

des

byzantin.

Meiches.

Basiliken-

bau.

Kuppelbau.

Grundplan.

So erschien es fast nur wie ein neuer Aberglauben, in welchem die Verderbt-
heit und Ruchlosigkeit der Menschen um so abschreckender sich zeigte, je
mehr durch den Firniss höfischer Sitte die Niedrigkeit der Gesinnung hin-
durchschien.

Dazu kam noch ein wichtiger Umstand. Indern der Mittelpunkt des
Reiches so weit nach Osten, an die Pforten Asiens rückte und sich auch
geistig von dem beunruhigenden Westen abschloss, wurde den Einflüssen des
Orients freier Zugang eröffnet. Waren nun diese schon in den letzten Zeiten
des Römerreiches bis nach Rom gedrungen und hatten die Religionsformen,
den Despotismus und die üppigen Trachten und Sitten Asiens daselbst ein-
geführt, um wie viel mehr mussten sie jetzt in dem viel näheren Byzanz einen
empfänglichen Boden finden! Da aber dem bewegten, vielgestaltigen Leben
des Abendlandes gegenüber, der Orient auf die Einheit und Ruhe eines gleich-
massigen Daseins gerichtet ist, so wurde dies immer mehr der Grundzug des
byzantinischen Lebens, der sich in der Religion als dogmatische Starrheit, im
Staate als unbeschränkter, grausamer Despotismus und im bürgerlichen Dasein
als hohles, conventionelles Wesen ausprägte, hinter dessen Maske die Laster
einer verderbten Civilisation sich zu verbergen suchten.

So unerfreulich nun das byzantinische Reich fast in allen seinen Er-
scheinungen ist, so hat es doch in seiner Mittelstellung zwischen dem Orient
und Occident, in seiner durch Jahrhunderte fortdauernden, wenn auch ganz
äusserlich erstarrten Cultur sehr wichtige Einflüsse auf die Entwicklung
Europas gewonnen. Es hielt, den Gehrungen der Völkerwanderungen gegen-
über, das Beispiel einer grossen politischen Einheit aufrecht; es vererbte den
Völkern des Abendlandes die Schätze griechischer Sprache und Poesie, die
nachher beim Falle des byzantinischen Reiches für die Neugestaltung Europas
von so wichtigem Einfluss wurden; es bewahrte manche Traditionen antiker
Kunsttechnik, wenn auch in geistlos hergebrachter Behandlung; es schuf end-
lich ein System der Architektur — unbedingt die bedeutendste positive Lei-
stung des byzantinischen Geistes — welches in manchem Betracht auch für
die bauliche Entwicklung des Abendlandes Impulse gab.

2. Byzantinisches Bansystem.

Auch im byzantinischen Reiche war zunächst die Basilika der Ausgangs-
punkt der kirchlichen Architektur. Wie in Rom, so erbaute Constantin auch
in seiner neuen Residenz und in anderen Städten seines Reiches mehrere Kir-
chen, die uns als flachgedeckte Basiliken bezeichnet werden, und von denen
oben schon die Rede war.

Im Laufe des fünften Jalirh. bildete sich dagegen im oströmischen Reiche
allmählich ein auf anderen Grundlagen beruhender Styl, den man als eigentlich
byzantinischen aufzufassen hat. Dieser ging von dem altrömischen Kuppel-
baue aus. Zwar gab es, wie wir gesehen, auch in Italien gewisse kirchliche
Gebäude, an welchen die Form der Kuppel vorherrschte. Allein diese Plan-
bildungen blieben im Abendlande nur vereinzelt und für besondere Fälle in
Gebrauch; die byzantinische Kunst erst wandte sie als Grundelement auf ihren
gesammten Kirchenbau an.

Es wurde demnach ein erhöhter Mittelraum angenommen, in weiten Ab-
ständen von mächtigen Pfeilern eingeschlossen, welche durch hohe Bögen mit
 
Annotationen