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DIE GRABUNG AUF DER CHARAKESHÖHE BEI MONASTIRAKI (II) 71
gebaute Mauerstück, das zeitlich dem auf höherem Niveau stehenden Pithosunterteil
50 und dem dazugehörenden 'Lager’ spätmittelminoischer Becher entspricht. Im
Zusammenhang mit diesen An- und Umbauten der Spätzeit steht auch die Wieder-
verwendung älterer Bauteile. So ist im Raum 20 ein kleiner Pithos in eine Stein-
schichtung eingesenkt, die sich als ein beim Bau des Raumes stehengelassener älterer
Bauteil erweist.
Ob diesen Magazin- und Wirtschaftsräumen ein gleichzeitiges, noch frühmittel-
minoisches Herrenhaus entsprach, kann erst durch eine gründliche Untersuchung
des Geländes auf dem Sattel zwischen den beiden Felsklippen festgestellt werden.
Die hohe Zahl der Pithoi und die Weitläufigkeit der Wirtschaftsräume setzen jeden-
falls ein solches voraus: Kamaresscherben, die in einem auf dem Sattel freigelegten
kleinen Raum zutage kamen, könnten diese Voraussetzung stützen. Auch hier
würde demnach, entsprechend den Palastanlagen in Knossos und Phaistos, dem
Herrenhaus ein frühmittelminoischer Kern zugrunde liegen.
Brandschichten an verschiedenen Stellen der freigelegten Fläche (Raum 20, 27, 18,
19) zeugen von einer gewaltsamen Zerstörung größerer Teile der Anlage noch inner-
halb des spätmittelminoischen Zeitabschnitts. Diese Zerstörung leitet die letzte
Periode in der Besiedlung der Stätte, die Zeit des erweiterten Herrensitzes, ein.
Besonders stark müssen Teile der Magazine vom Brand getroffen worden sein, denn
man verzichtete, wohl in Anbetracht der Schuttmassen und des Umfanges der
Zerstörung, auf Wegräumung und Wiederaufbau. Es kann auch sein, daß dieser
Umstand einem schon bestehenden Wunsch nach Erweiterung der Fläche auf dem
Sattel des Hügels im Zusammenhang mit geplanten Neubauten entgegenkam.
Jedenfalls wurde im Rahmen einer wohl bald nach der Zerstörung einsetzenden
Bautätigkeit ohne Rücksicht auf die alten Baufluchtlinien die jetzt noch oberhalb der
Magazine 7—12 sichtbare und durch das im Norden freigelegte Eckstück in ihrem
weiteren Verlauf erschlossene Ostterrassenmauer in gerader Ausrichtung über den
Westabschluß der Magazine hinweggeführt. Ihrer Errichtung entspricht die eben-
falls zum Teil noch gut erhaltene Terrassenmauer am Westabhang des Sattels: auf
dieser abgestützten und planierten Fläche breitete sich das erweiterte Herrenhaus aus.
Die späten Bauten fallen noch in den letzten Abschnitt der mittelminoischen
Periode. Sie haben diese auch kaum überdauert, denn von Scherben und sonstigen
Funden spätminoischer Zeit fehlt jede Spur. Der Herrensitz in seiner endgültigen
Gestalt muß demnach noch vor Beginn des spätminoischen Zeitalters ebenfalls zer-
stört und verlassen worden sein. Er teilt somit das Schicksal der älteren Paläste
im Ostteil der Insel, ohne daß, wie in Knossos und Phaistos, spätminoische Bauten
die Stätte zu neuem Glanz erstehen ließen. Aber gerade diesem Umstand ist es zu
verdanken, daß sich hier eine rein mittelminoische von späteren Bauten nicht ge-
störte Anlage der restlosen Erforschung eröffnet. Ihre Lage westlich des Ida ermög-
licht überdies einen Einblick in das Werden der minoischen Kultur auch auf diesem
noch unerforschten Teil der Insel. Darin liegt der größte Wert ihrer Entdeckung.

Kimon Grundmann
 
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