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SIEDLUNGSGESCHICHTLICHE FORSCHUNGEN
IN WEST-KRETA
(Taf. 105 —122)
1. STAND DER FORSCHUNG UND AUFGABE
Der Westteil der Insel Kreta ist, trotz mehrfacher Ansätze in älterer Zeit, bisher
großenteils unerforscht geblieben. So bildet er für geschichtliche Betrachtungen eine
große Unbekannte. Man hat angenommen — wie neue Funde zeigen, fälschlicher-
weise —, die minoische Kultur sei von ihren Zentren in der Inselmitte nicht in dies
Gebiet vorgedrungen1 *. Die Häufigkeit spätminoischer Funde der dritten Periode’
konnte das nicht widerlegen, denn sie sind der spätmykenischen Einwanderung
griechischer Stämme zuzuweisen, zu denen wohl auch die Kydonen gehört haben.
Andererseits weist eine Herodotnotiz (VII 170) auf Erhaltung zurückgedrängter
minoischer Bevölkerungselemente auch im Westen, in der Nachbarschaft von Ky-
donia-Chania3. Für die historisch helle Zeit, die Epoche der dorischen Besiedlung der
Insel, ist die Kenntnis des Westens wenig besser. Kydonia hat, obwohl an Bedeutung
Knossos und Gortyn in der Inselmitte kaum nachstehend, fast keine Selbst-
zeugnisse hinterlassen 4. In der byzantinisch-venezianischen Zeit hat sich das kaum
geändert. So möchte es oberflächlichem Urteil scheinen, als wäre das Hervortreten
des Westens mit Chania erst ein Ergebnis neuzeitlicher Entwicklung, eine Folge
der Bedeutung, die die Gebirgsgegenden des Westens als Hort der Freiheit in den
Kämpfen mit den Türken gewonnen hatten und die dann durch die Verdichtung
1 Ed. Meyer, GdA. I 2, 797—800. Marinatos, Zts. f. Höhlenforschung 1928, 9 schreibt den Gegen-
satz einer Einwanderung der Kydonen schon in mittelminoischer Zeit zu. Andererseits nahm K. Müller,
Jdl. 30, 1915, 336 eine besondere Abart der minoischen Kultur für den Westen an. Minoische Funde
dort: Pendlebury, The Archaeology of Crete 55. 76. 123. 175. 231. 289. Schachermeyr, Zur Rasse und
Kultur im min. Kreta 61. 3 4 Pendlebury 26iff. Schachermeyr 61. Mackeprang, AJA. 42, 1938, 546!.
1 Danach blieben Eteokreter vom Volk des Minos in Polichne sitzen, dessen Gebiet an das von
Kydonia-Chania grenzte. Der Ansatz von Polichne bei Meskla Inscriptiones Creticae (fort an I Cret.) II 234;
u. S. 132) läßt die Erhaltung der Eteokreter hier verstehen: es deckt den Eingang zur Omalos-Hoch-
ebene, und man darf auch noch von genauerer Untersuchung annehmen, daß, analog den Geschehnissen
im Lasithi-Gebirge (Pendlebury, BSA. 37, 1936/37, 194 ff., 30,1 ff.) sich die vorgriechische Bevölkerung in
die Berge und die erst nun durch Rodung erschlossenen Dolinen-Fruchtgebiete zurückgezogen hat.
4 Die Stadt ist im Siedlungsgebiet der Kydonen offenbar erst von Aigineten begründet worden, deren
längere Festsetzung sich aus der Übernahme aiginetischer Münzprägungen ergibt. Kirsten, Das dorische
Kreta I 8f. Gnomon 18, 1942, 307. Funde: Pendlebury 261 (wozu Deltion n, 1927/28, 78, 3. BSA. 33,
1932/33, 8of.). 323. 341. 349. 360. 363. 370. I Cret. II 104. Erste archaische Inschrift: AA. 1936, 162.
 
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