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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 5.1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.21913#0009
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höhet1 hinauf gelegenen Kirche in der Gemeinde del Pec-
chio als die höchste künstlerische Sehenswürdigkeit dieser
Gegend pries; freilich ohne uns auf diesen Abweg zu ver-
locken.

Die zweite jener beiden Kirchen, augenscheinlich
eine Klosterkirche und von den Einheimischen schlechtweg
II convento genannt, war, als wir herankamen, leider
verschlossen und einsam, so dass wir kostbare Zeit ver-
loren, deren Werth wir erst recht schätzen lernten, als
endlich der herbeigeholte Custode die Thüre öffnete und
wir den Reichthum anstaunten, der uns entgegentrat und
sich bei näherem Eingehen immer grösser erwies. Die Kir-
che selbst trägt im höchsten Grade das Gepräge der Bel-
telorden , und ist, wie die Gemälde ergeben, von Francis-
canern gestiftet. Einschiffig, aber von bedeutender Breite,
erhält sie durch die hineingezogenen Strebepfeiler, welche
durch weite Spitzbogen verbunden sind und so das offene
Dach tragen, auf jeder Seite sechs flache capellenartige
Abtheilungen, jede mit einem Altäre, während in Osten
der Chor, wie auf eine dreischiffige Anlage berechnet, in
der Mitte den polygonförmig geschlossenen Raum des Haupt-
altars und daneben zwei kleine viereckige Capellen enthält,
und mit den trennenden Wandpfeilern und dem in das Dach
reichenden Triumphbogen dem einschiffigen Raume einen
vortrefflichen Abschluss gibt. Diese an sich schon bei aller
Einfachheit grossartige Anlage hat nun aber eine wiederum
einfache und wenig kostspielige, aber sehr harmonische
malerische Ausstattung erhalten, indem die grossen Bögen
an ihrer untern Fläche und an den Seiten tlieils mit Orna-
menten, Flechtwerk von weissen Riemen, auf blauem oder
rothem Grunde, theils mit Heiligengestalten in gemalten
Nischen von Renaissance-Arehitectur, in den Zwickeln
aber durch Medaillons mit den Bildern von Propheten ver-
ziert sind. Auch läuft ein Arabeskenfries am Rande des
Daches auf der Wand von einem Pfeiler zum andern, so
dass die Malerei, ohne die Wände zu decken, doch das
Ganze umzieht und verbindet, und auch ihrerseits an der
Chorwand einen Abschluss erhält, indem hier oben im
Giebel Maria fürbittend mit gefalteten Händen von Engeln
umgeben, und an den Pfeilern grosse Medaillons mit den
Bildern Johannes des Täufers und eines Propheten dem
Eintretenden entgegenblicken. Ausserdem sind nun aber
die Altäre meistens mit Frescomalereien reich ausgestattet,
alle wie es scheint vom Ende des XV. und Anfang des
XVI. Jahrhunderts, zum Theil von geringerem Werthe, zum
Theil aber höchst bedeutend und schön. Der erste Altar
rechts hat um ein grosses in Holz geschnitztes Crucifix den
Hergang der Kreuzigung in Malerei, nichts Ausserordent-
liches, aber doch in den edeln Gestalten des Johannes und
der Frauen an Borgognone erinnernd. Darüber noch hoch
an der Wand die Geschichte des heil. Kreuzes, Constan-
tins und der Kaiserin Helena. Bedeutender schon ist der
zweite Altar derselben Seite, über welchem die Wand

durch grau in grau gemalte Pilaster abgetheilt, in der Mitte
die Gestalt des heil. Antonius, gross und würdig, weiss-
bärtig mit dem Hischofsstabe, oben und auf den Seiten
Geschichten aus seinem Leben zeigt, die sich bis an die
decorative Malerei der Pfeiler erstrecken. Eine Inschrift
belehrt uns wenigstens über die Zeit der Entstehung: Hoc
opus f.lieri Dominus Nicolaus f. quondam D. Simonis Stampa
ad honorem Dei ac S. Antonii 1509 die 27 Junii; leider
ohne Namen des Malers. Alle andern minder bedeutenden
Altäre übergehe ich, um zu dem zu eilen, der mich auch
in der Wirklichkeit durch seine überraschende Schönheit
schon von Weitem anzog und fesselte. Er ist in der linken
(nördlichen) Nebencapelle des Chors, anscheinend der
heil. Agatha gewidmet, und enthält in einer gemalten etwas
schwerfälligen Architeetur sechs Bilder in zwei Reihen ;
die beiden mittlern grossem historische Compositionen,
die vier Seitenbilder einzelne Heilige, oben St. Blasius
und St. Gothardus, unten St. Agnes und St. Katharina. Am
Schönsten sind jene beiden Mittelbilder; unten das Marty-
rium der heil. Agatha, die mit herabfallendem reich ver-
ziertem Kleide und entblösstem Oberkörper von den Zangen
der Henker eben berührt wird, aber im jugendlichen Reize
ihres weich modellirten Körpers und im ruhigen unscbulds-
vollen Ausdrucke ihres Gesichtes so milde und lieblich er-
scheint, dass wir uns nur des Rührenden ihrer Hingebung
und nicht des Widerlichen der Marter bewusst werden.
Das obere Bild gilt einem Heiligen des Ordens; ein junger
Franciscaner, knieend, von edlem Gesicht, mit leichtem
Bart und freudig aufgeschlagenen Augen sieht zu der Krone
empor, welche die Jungfrau mit dem Kinde und ein heil.
Bischof ihm darreichen. Die fast ritterliche Schönheit des
jugendlichen Heiligen und der Liebreiz der Madonna, dann
aber auch im ganzen Bilde die feine Schönheit der Züge
und die Reinheit der Formen, die weiche Farbe und
Modellirung, und endlich das Überwiegen der zarten und
anmuthigen Motive über das Strenge und Charakteristische
erinnern durchweg an Luini oder seine Schule, und
die Jahreszahl 1520, welche sich nebst einer Inschrift
auf dem Bilde befindet, lässt die Thätigkeit des Meisters
selbst wenigstens als möglich erscheinen. Die eben
erwähnte Inschrift lautet, wenn ich sie richtig las, dahin:
Meutern sanctam, spontaneum honorem, Deo et Patrie
liberatori, und scheint, so undeutlich sie auch sonst ist, auf
die Fürbitte des dargestellten Heiligen bei einer öffentlichen
Calamität zu deuten. Auch ein Gemälde am südlichen Chor-
pfeiler, Madonna in trono mit St. Petrus und St. Johannes
Baptista gehört derselben Schule an, wenn auch einer
geringeren Hand. Wussten wir schon in der Kirche kaum,
wohin uns zuerst wenden, so wurden wir noch mehr über-
rascht, als wir in den Kreuzgang traten und auch die-
sen auf Reichste mit Malerei geschmückt fanden, wiederum
alle dem XVI. Jahrhundert angehörig und in der Weise
Luini's. Selbst die Ausseuwände im Hofe hatten solchen
 
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