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Meier-Graefe, Julius [Hrsg.]; Corot, Jean-Baptiste-Camille [Ill.]
Corot — Berlin, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.27162#0021
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COROT, UM EIN JAHR ÄLTER ALS DELACROIX, KAM AM SECHZEHNTEN JULI
Siebzehnhundertsechsundneunzig in Paris zur Welt in einem nahe dem Pont Royal gele-
genen Hause der Rue du Bac. Die Eltern der Mutter, eine geborene Oberson, waren
Schweizer. Sie führte mit Geschick und Geschmack einen Modesalon des alten Regime,
der unter Napoleon berühmt wurde, und auch noch lange nachher sein Renommee behielt.
Eine Gravüre Gavarnis, um 1830, die Dame mit Löckchen im großen Kapottehut, mit
großen Bindebändern, hingegossen auf einem modernen Sessel, daneben ein Kavalier im
Glockenrock, trägt den Titel „Modes de Mme. Corot“. Das Haus war voll emsiger klei-
ner Mädchen. Als später ein Kritiker schrieb, die Nymphen hätten Corot auf den Knien
gewiegt, meinte der Gefeierte, das treffe wörtlich zu, denn sein Elternhaus sei das Ren-
dezvous der Grazien gewesen. Er hatte zwei Schwestern und war der einzige Sohn. Da
das flotte Geschäft die Mutter beanspruchte und die Grazien, sobald er erschien, nur
Augen für den hübschen Jungen hatten und die Hüte vergaßen, tat man ihn zu zuver-
lässigen Leuten erst in die Provinz, nachher in Paris in Pflege. Der Vater, Sohn eines
Perückenmachers, führte die Bücher und hielt die Kasse. Eins der Kassenbücher hat
später Corot für Studien benutzt, da es schade war, das gute Papier umkommen zu las-
sen. Rechts stehen zwischen säuberlich mit dem Lineal gezogenen Strichen die Namen
der Kunden mit den Zahlen. Links wandelt ein antikes Paar elegisch unter Bäumen. Er
stand zumal mit der Mutter, der „belle dame“. Der Respekt vor dem trockenen Vater,
mit dem man sich über alles Wesentliche zu verständigen hatte, näherte sich der Furcht,
und für den Alten blieb Camille, auch als er berühmt geworden war, ein ungemein zwei-
felhafter Posten. Francais, der viele Bilder Corots radierte, wurde im Llause mit höch-
stem Respekt aufgenommen, und man erstaunte baß, als er sich als Schüler des großen
Corot bekannte. Der Vater hielt sich an die damals geringfügigen Umsätze der Bilder und
konnte, als die Ehrenlegion eintraf, nicht fassen, daß die Auszeichnung nicht für ihn,
den Inhaber des wohlgelittenen Llauses, sondern für Camille bestimmt war.

1807 gab man den Jungen nach Rouen auf die Schule, wo man eine Reduktion des Schul-
gelds erreicht hatte. Dort war er bei einem Freunde der Familie, M. Sennegon, in Pen-
sion, der ihn, wie es scheint, gern hatte und viel mit ins Freie in die Umgegend nahm.
Camille verriet flinke Beobachtungsgabe und blieb auf der Schule auffallend zurück.
Namentlich Schreiben und schriftlicher Aufsatz wurden beanstandet. Noch die Briefe
des fast Erwachsenen triefen von orthographischen Fehlern und sind kaum zu lesen.
Schon damals soll er gezeichnet haben. Die letzten Klassen hat er mit Ach und Krach
 
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