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Meier-Graefe, Julius [Hrsg.]; Corot, Jean-Baptiste-Camille [Ill.]
Corot — Berlin, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.27162#0051
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IStebernmer

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DIE JAHRE IN ITALIEN WAREN GEFLOGEN. NUR DIE MITGEBRACHTE BEUTE
erzählte davon. Ohne zu überlegen, hatte er gehamstert, um möglichst viel von der Sonne
davonzutragen. Zu Hause würde sich ergeben, was damit zu machen war. Nun saß er
zwischen unaufgezogenen Leinwänden und Kartons, bedrängt von der Fülle. Vater und
Mutter waren neugierig auf den Inhalt der Kisten. Man hörte sich an, was er dabei er-
zählte, aber kam nicht weit. Für den Alten waren es Sonderbarkeiten. Ob es je einem
Menschen in Paris einfallen würde, das Zeug zu kaufen?—Darauf rechne er nicht, meinte
Camille. Diese Dinge waren nicht für das Publikum, nur für ihn da, dienten als Vorbe-
reitung. Erst nach einerweiteren, noch viel Kopfzerbrechen kostenden Arbeit konnten
richtige Bilder daraus werden. Das war so wie mit den nackten Formen der Hüte aus
Stroh und Filz, die, aufeinander gestülpt, die Regale bei der Mutter füllten und so wie
sie waren, auch nach nichts aussahen. Man hütete sich, sie zu zeigen. Erst durch den
Putz mit Bändern und Blumen erhielten sie den Schick der berühmten Firma. Die Mutter
lachte, der Vater brummte. Sonst konnte man sich nicht über den Jungen beschweren.
Auf Wunsch des Vaters hatte er sich sofort den italienischen Vollbart abnehmen lassen.
Die Hüte gingen besser als je. Man konnte sich einen Sohn, der sich amüsierte, leisten.
Auch Abel Osmond kam und betrachtete mit Ernst. Italien mußte ein interessantes Land
sein. Sogar die kleinen Demoiselles stahlen sich zu Monsieur Camille und fanden alles
über die Maßen schön. Nur die gemalten Italienerinnen waren zu zigeunerhaft. Die Ka-
meraden aus dem Atelier Bertin erwarteten Großes von ihm.

Nun mußten die Bilder kommen. Er gab sich daran, aber beeilte sich nicht, denn bis
zum nächsten „Salon“ war noch lange Zeit, und die rechte Wahl fiel schwer. Es mußten,
das verstand sich, große Formate sein, des von Bertin verlangten bedeutenden Ausdrucks
teilhaftig, mit einem Inhalt, der zu denken gab. Er nahm verschiedene vor, aber unter-
brach immer wieder die Arbeit. Sobald es Sommer wurde, ließ er die Stadt und die große
Zukunft und ging ins Freie nach Ville d’Avray, wo die Eltern den schönen Landsitz be-
saßen, malte, was ihm die Natur vorsetzte, ging auf die Wanderschaft, hamsterte weiter
wie in Italien. 1829 ist er in der Bretagne und in der Normandie. Es geht nicht ganz so
flott wie im Süden, aber man findet auch in Frankreich Materien. 1830 malt er in Paris
wieder ein Brückenbild, diesmal den Pont au Change (R 220) mit dem mittelalterlichen
Turm des Justizpalasts und der langen Häuserfront auf der anderen Seite des Flusses;
noch genauere Topographie als die früheren. Vorn hängt an langer gerader Eisenstange
eine Laterne über dem Quai und leuchtet wie geschliffenes Geschmeide. Der Julirevolu-
 
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