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Meier-Graefe, Julius [Editor]; Corot, Jean-Baptiste-Camille [Ill.]
Corot — Berlin, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.27162#0052
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3BteD erntet er

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tion, die ihn nach Chartres treibt, verdanken wir die Ansicht der Kathedrale, wie sie vor
dem Dachbrand war, das Bild in der Sammlung Moreau (Xi). Zusammen mit einem
befreundeten Architekten malt er ein Stück des Westportals. Man erkennt den Ausdruck
der Heiligen auf den zierlichen Postamenten unter den krausen Baldachinen und kann
die flachen diminutiven Bogen zählen, die gleich einer Täfelung den zurückliegenden
Teil der Fassade schmücken. Keine Photographie des gleichen Ausschnitts in gleichem
Format gäbe mehr Detail. Man könnte nach der Vorlage das Portal rekonstruieren. Trotz-
dem Malerei, ein von der reproduzierenden Zeichnung nicht gehemmtes Farbenspiel,
klein im Gefüge, nicht kleinlich. Es gibt genug Architekturbilder anderer Meister der-
selben Zeit, auch in Deutschland. Ihre Sachlichkeit droht den Spieltrieb auszutrocknen.
Man denke an den Berliner Eduard Gärtner. Seinen Pont St. Michel hat die Pariser Luft
in Corots Nähe gebracht. Oft fügen die anderen nachträglich genrehafte Szenen hinzu
und schaden der Sachlichkeit. Corot zeichnet als Maler. Der filigranhaften Struktur ent-
spricht die abgewogene Palette. Die halsbrecherische Differenzierung vollzieht sich spie-
lend. Die beiden Kinder auf der obersten Treppenstufe und die Blumentöpfe am Ge-
länder, sehr wesentlich für die bildhafte Wirkung, sind organische Teile des Ganzen,
nicht mehr noch weniger lebendig als der Rest. Es bleibt eine Studie, ein Reisedokument,
wie vieles anderes. Man darf nirgends etwas ungenau lassen.

Nun kamen die Bilder für den „Salon“. Der tagte zum erstenmal wieder 1831, und
von da an hat ihn Corot regelmäßig beschickt. Die Rue du Bac war tief durchdrungen
von der Bedeutung der Institution, und es wäre Corot nicht eingefallen, sie zu disku-
tieren. Man konnte draußen machen, was einem einfiel. Das tat gut, war zuträglich, aber
dann kam der Ernst, die Bezahlung des Vergnügens, und das war auch in der Ordnung.
So entstehen zwei Corot. Man unterscheidet sie auf den ersten Blick. Der des „Salon“
hat das größere Format, und das bedingt eine Leere des Bildes, Folge der Übertragung
einer handlicheren Studie, die sich nicht beliebig ausdehnen läßt, auch wenn wesent-
liche Gegebenheiten unterdrückt werden. Die Leere gilt als vornehm. In der „Südlichen
Landschaft“ mit dem Kloster im Hintergrund (R 201), einem der vier Bilder des „Salon“
von 1831, verliert sich der Blick. Die Situation ist zum größten Teil frei erfunden, kom-
poniert ohne überzeugende Komposition. Man kann auf der rechten Seite beliebig viel
wegnehmen. Wahrscheinlich hatte er nur die Baumgruppe links und das ferne Kloster
in seinem Material. Der verkrümelten Staffage wird eine tragende Rolle zugemu-
tet, der sie nicht gewachsen sein kann. .Auch „La Cervara“, aus der römischen Cam-
pagna (R 200), obwohl glaubhafter und schöner im Ton, ist zu groß geraten; erst recht
der zweiundeinhalb Meter breite Wald von Fontainebleau, wo vorn ein lesendes Mäd-
 
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