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Meier-Graefe, Julius [Hrsg.]; Corot, Jean-Baptiste-Camille [Ill.]
Corot — Berlin, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.27162#0083
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DIE KOMPONIERTE LANDSCHAFT TRÄGT ZWISCHEN UNKRAUT ALLERLEI
krause Blumen. Die kostbarsten entlockte ihr der Lyriker, dessen Anfänge wir gestreift
haben und den wir bald in voller Blüte wiederfinden werden. Inzwischen bringt derselbe
Boden Werke mit entgegengesetzten Zügen hervor. Sie bestätigen die positive Seite
des Manierismus. Das erste Bild der numerisch begrenzten Art, „Christus am Ölberg“
(R 6ioj, entstand schon 1848 und wurde knapp zu dem Salon des nächsten Jahres fertig.
Es muß ihn mindestens acht Monate, für seine Verhältnisse sehr viel, gekostet haben.
Es fänden sich, schrieb er Dutilleux, immer wieder Dinge, die man wegnehmen müsse.
Das Bild hatte im Salon großen Erfolg, und der Staat erwarb es für das Museum von
Langres. Die Leute in Langres waren nicht sonderlich beglückt. In der Lokalpresse
nannte man das Geschenk einen großen Tintenfleck. In der Tat hatte die Vereinfachung
die Töne ins Dunkle getrieben. Die Landschaft auf dem Bilde erinnert an viele andere
Kompositionen, z.B. an den erwähnten Karton für Beauvais mit dem Hirten auf dem
Stein. Eine große Baumgruppe rechts, eine kleinere links, dazwischen ein steiniger Weg;
das bekannte Schema. Diesmal liegt Christus in der Lichtung. Der Tintenfleck ist zu un-
gefällig für eine Dekoration. Wohl mag das Theater die Kulisse bestimmt haben, aber
sie ist nicht banal. Die düstere, monumental geschnittene Landschaft, heroisch ohne
alle Ironie, hängt mit dem Umriß der Gestalt auf dem Wege zusammen, ergänzt die Ge-
stalt und macht sich ihren Ausdruck zu eigen. Ein dramatischer Ausdruck.

Corot und Dramen: alle Salon-Instinkte widersprechen. Wenn er sich im Zwang der
Kanzlei ernsten Stoffen widmete, versagte er entweder kläglich oder ließ merken, daß
es nicht so schlimm gemeint war. Wie kommt der Sänger friedlicher Pastorale, der Illu-
strator Virgils, plötzlich zu diesem Ausdruck? Die Flächen mögen uns dürftig, die Farbe
altmodisch erscheinen, der Ausdruck trägt das Riesenformat. Mehrere Jahre später emp-
fängt der Salon eine Zerstörung Sodoms (R 1097). Sie geht auf das frühere Bild gleichen
Titels mit der sonderbaren Architektur zurück (R460); verblüffend verwandelt. Corot
verfährt mit seinen Erfindungen nicht schonender als mit den Studien nach der Natur.
Natürlich sollte schon das alte Bild dramatisch sein und war es auf die Art Bertins. An-
gebliche Stürme bogen die Bäume. Das muß, nach der alten Abbildung zu schließen, die
Komik des sodomitischen Biedermeiertums noch erhöht haben. Vorn führte ein beflü-
gelter Engel mit Erhabenheit die Flüchtlinge. Corot änderte das Format, kürzte die Höhe
fast um die Hälfte und unterdrückte rechts das belanglose Stück mit dem Tor. Er machte
den Schnitt, der dem Dianabad nottäte. Alle Baumkronen fielen. In dem neuen fries-
 
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