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Meier-Graefe, Julius [Hrsg.]; Corot, Jean-Baptiste-Camille [Ill.]
Corot — Berlin, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.27162#0088
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8o

Bas SfbpII

DER AUSFLUG IN DAS GEBIET DELACROIX’ MAG COROTS SELBSTVERTRAUEN
gestärkt und ihm die beherztere Erfassung der Möglichkeiten seiner Phantasie nahegelegt
haben. Der Komponist lernte, seine Freiheit ohne künstliche Hemmung zu nutzen und
auf Handlung zu achten. Der schon oft erwähnte Salon von 1859 brachte neben dem
„Macbeth“ und dem „Dante“ noch fünf andere Corots, darunter eine Nymphenszene,
die im Katalog den Titel Idyll trug und zu dem hinlänglich bekannten Genre gehörte.
Corot schenkte sie nachher dem Museum von Lille. Daneben hing die ,,Toilette“(Txxxil).
Dieser Salon war schon das bunteste Bukett, das je aus gleichzeitigen Werken eines Men-
schen gebunden wurde. Die „Toilette“ hieß im Katalog „Landschaft mit Figuren“ und
war ein Idyll. Man kann sagen das Idyll Corots. Weder er noch seine Zuschauer achteten
besonders darauf. Man träumte lächelnd weiter wie vor dem „Cache cache“ und ähn-
lichen Bildern, längst gewohnt, sich anlächeln zu lassen. Niemand merkte den Vorgang.
Das Idyll gab das Getändel auf und wurde eine sehr einfache, unsymbolische, ungemein
bestrickende Handlung. Ein nacktes Mädchen im Freien nach dem Bade sitzt da und
läßt sich von der Freundin, die schon wieder angezogen ist, das Haar stecken. Es ist
gar nichts Nymphenhaftes dabei. So sieht so etwas aus. Die Nackte gibt geduldig den
Kopf für die sorgfältigen Hände der Freundin her. Sie sind bei der Sache.

Mir fällt die Stelle im „Journal“ ein, wo Delacroix über die Träumer herzieht, die Chateau-
briand, Lamartine usw. Er fügt sogar Schubert hinzu, weil ihm Mozart und Chopin sach-
licher erscheinen. „Warum das alles?“ fragt er. „Nur weil es unwirklich ist... Sieht ein
Liebhaber nach dem Mond, wenn er sein Mädchen bei sich hat? Doch wohl nur, wenn
sie anfängt, ihm langweilig zu werden... Ce vague, cette tristesse perpetuelle ne peig-
nent personne. C’est l’ecole de Pamour malade...“ Dann meint er, solcher Liebesdienst
sei eine traurige Empfehlung für das andere Geschlecht, und obwohl die Damen für die
„Odenmacher“ zu schwärmen vorgäben, wüßten sie schon, an was sie sich zu halten
hätten, und zögen im entscheidenden Moment gesunde Kerle vor. — Er unterließ den
nachliegendcn Hinweis auf die vielen Träumer in der zeitgenössischen Malerei.

Ein solider Kenner und Liebhaber der Frau, kein Odenmacher, malte den großartigen
Akt mit den gewölbten Hüften, die mädchenhaften Arme und kräftigen Beine; ein ge-
sundes Kind aus dem Volke. Er setzte sie hin wie sie sitzen mußte und formte aus ihr
und der daneben stehenden Freundin die im Innern reiche, im Umriß ganz geschlossene
Gruppe. Dies die Erfindung: die Stellung der beiden Gestalten, so daß nur die be-
schattete Rückenlinie der Nackten vor die Luft kommt und von Brust und Kopf der
 
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