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Erstes Buch, Cap. 2.
werden, wie auf dem Gebiete des Rechtes. Das specifisch
historische Verständniss concreter Erscheinungen ist auch dem
Gebiete der Volkswirthschaft durchaus adäquat.
Das historische Verständniss der concreten Social erseh ei-
nungen ist indess keineswegs das einzige, zu welchem wir auf
dem Wege wissenschaftlicher Forschung zu gelangen vermögen14).
Demselben steht vielmehr das theoretische Verständniss
der Socialphänomene als durchweg gleichwertig und gleich-
14) Diejenigen, welche die historische Richtung der Forschung auf dem
Gebiete der theoretischen Nationalökonomie mit jener auf dem Ge-
biete der Jurisprudenz in eine Parallele stellen und sich für berechtigt
halten, die methodischen Gesichtspunkte der historischen Juristenschule
schlechthin auf unsere Wissenschaft zu übertragen, übersehen dabei einen
sehr wichtigen Umstand. Die historische Juristenschule anerkennt neben
der Erforschung des Rechtes in seinen concreten Gestaltungen und in
seiner geschichtlichen Entwickelung keine theoretische Wissenschaft vom
Rechte im eigentlichen Verstände des Wortes. Der historischen Juristen-
schule ist die Jurisprudenz somit überhaupt eine historische Wissen-
schaft und ihr Ziel das historische Verständniss des Rechtes, neben
welchem nur noch die Dogmatik ihr Recht behauptet. Auf dem Gebiete
der Volkswirthschaft anerkennen dagegen selbst die fortgeschrittensten
Vertreter der historischen Richtung eine Wissenschaft von dem generellen
Wesen und den Gesetzen der volkswirtschaftlichen Erscheinungen, eine
Theorie der letzteren, und die historische Richtung der Forschung
in der theoretischen Nationalökonomie kann somit nicht in der Negation des
theoretischen Charakters dieser letzteren, in der ausschliesslichen Aner-
kennung der Geschichte der Volkswirthschaft, als Mittel für das Verständniss
der Phänomene der Volkswirthschaft bestehen; ihre Eigenthümlichkeit kann
vielmehr vernünftiger Weise nur in der Festhaltung des historischen Gesichts-
punktes in der Theorie der Volkswirthschaft gesucht werden.
Das, was' die historische Juristenschule will, und das, was die Anhänger der
historischen Methode in der Nationalökonomie, so lange der Charakter
der letzteren als einer theoretischenWissenschaft festgehalten wird,
nothwendiger Weise anstreben müssen, unterscheidet sich somit wie Ge-
schichte und Theorie oder vielmehr wie Geschichte und eine
durch historische Studien geläuterte Theorie. Beide Schulen
stehen, ihrer gemeinschaftlichen Devise zum Trotze, in einem tiefgehenden
methodischen Gegensätze, und die mechanische Uebertragung der Postulate
und Gesichtspunkte der Forschung aus der historischen Jurisprudenz in
unsere Wissenschaft ist demnach ein Vorgang, dem, bei einiger Ueber-
legung, kein methodisch gebildeter Forscher zuzustimmen vermag.
Erstes Buch, Cap. 2.
werden, wie auf dem Gebiete des Rechtes. Das specifisch
historische Verständniss concreter Erscheinungen ist auch dem
Gebiete der Volkswirthschaft durchaus adäquat.
Das historische Verständniss der concreten Social erseh ei-
nungen ist indess keineswegs das einzige, zu welchem wir auf
dem Wege wissenschaftlicher Forschung zu gelangen vermögen14).
Demselben steht vielmehr das theoretische Verständniss
der Socialphänomene als durchweg gleichwertig und gleich-
14) Diejenigen, welche die historische Richtung der Forschung auf dem
Gebiete der theoretischen Nationalökonomie mit jener auf dem Ge-
biete der Jurisprudenz in eine Parallele stellen und sich für berechtigt
halten, die methodischen Gesichtspunkte der historischen Juristenschule
schlechthin auf unsere Wissenschaft zu übertragen, übersehen dabei einen
sehr wichtigen Umstand. Die historische Juristenschule anerkennt neben
der Erforschung des Rechtes in seinen concreten Gestaltungen und in
seiner geschichtlichen Entwickelung keine theoretische Wissenschaft vom
Rechte im eigentlichen Verstände des Wortes. Der historischen Juristen-
schule ist die Jurisprudenz somit überhaupt eine historische Wissen-
schaft und ihr Ziel das historische Verständniss des Rechtes, neben
welchem nur noch die Dogmatik ihr Recht behauptet. Auf dem Gebiete
der Volkswirthschaft anerkennen dagegen selbst die fortgeschrittensten
Vertreter der historischen Richtung eine Wissenschaft von dem generellen
Wesen und den Gesetzen der volkswirtschaftlichen Erscheinungen, eine
Theorie der letzteren, und die historische Richtung der Forschung
in der theoretischen Nationalökonomie kann somit nicht in der Negation des
theoretischen Charakters dieser letzteren, in der ausschliesslichen Aner-
kennung der Geschichte der Volkswirthschaft, als Mittel für das Verständniss
der Phänomene der Volkswirthschaft bestehen; ihre Eigenthümlichkeit kann
vielmehr vernünftiger Weise nur in der Festhaltung des historischen Gesichts-
punktes in der Theorie der Volkswirthschaft gesucht werden.
Das, was' die historische Juristenschule will, und das, was die Anhänger der
historischen Methode in der Nationalökonomie, so lange der Charakter
der letzteren als einer theoretischenWissenschaft festgehalten wird,
nothwendiger Weise anstreben müssen, unterscheidet sich somit wie Ge-
schichte und Theorie oder vielmehr wie Geschichte und eine
durch historische Studien geläuterte Theorie. Beide Schulen
stehen, ihrer gemeinschaftlichen Devise zum Trotze, in einem tiefgehenden
methodischen Gegensätze, und die mechanische Uebertragung der Postulate
und Gesichtspunkte der Forschung aus der historischen Jurisprudenz in
unsere Wissenschaft ist demnach ein Vorgang, dem, bei einiger Ueber-
legung, kein methodisch gebildeter Forscher zuzustimmen vermag.