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wird Hirsau fast plötzlich ein selbständiges Zentrum, Sitz einer eigenen Bauweise und Bau-
schule. Burgundisch-kluniazensische Grundrißteile werden ausgenommen, aber der Zusammen-
hang mit der deutschen Mutterkunst geht nicht verloren. Die religiösen Kräfte, die Kluni
ausstrahlte, und der hohe Kunstgeist, der im Rheintal lebendig war, inspirierten zusammen-
wirkend die Hirsauer Baumeister zu großzügigem Schaffen und gaben ihren Werken eine
feierliche Monumentalität, die dem schwäbischen Bauen bisher gefehlt hatte und dem schwäbi-
schen Volksstamm nicht im Blute lag. Es war verhältnismäßig spät, daß die Kunst hier
Eingang fand. Der romanische Stil befand sich schon in einem vorgeschrittenen Stadium,
an der Schwelle zur vollen Reife. Die Hirsauer dürfen das Verdienst für sich in Anspruch
nehmen, einen seiner Typen, die flachgedeckte Säulenbasilika, zur Vollendung geführt zu
haben. Der dieser Gattung innewohnende Schönheitsgehalt ist nirgends reiner, vollkommener
verkörpert worden als in den Höchstleistungen der Hirsauer Schule, wie St. Peter in Hirsau,
Alpirsbach, Paulinzella. St. Peter liegt zerstört, Paulinzella ist Ruine: man mag ermessen,
welchen Schatz unser Land in dem wohlerhaltenen Alpirsbacher Münster besitzt.
Aber die Zukunft gehörte nicht dem flachgedeckten, sondern dem gewölbten Bau. An
seiner Ausgestaltung nahmen die Hirsauer einen maßgebenden Anteil nicht mehr. Hirsau
sank im 12. Jahrhundert allmählich von seiner Höhe und die bodenständig schwäbische Bau-
kunst wollte überhaupt vom Gewölbe nichts wissen. (Noch am Anfang des nächsten Jahr-
hunderts fand sie, unter Verzicht auf die große Form wie auf die Mitarbeit an den Auf-
gaben der Zeit, in harmloser Weltabgeschiedenheit an volkstümlich phantastischer Zierlust
ihr Genüge.)
Da traten um die Mitte des 12. Jahrhunderts die Zisterzienser auf den Plan und
setzten die monumentale Bauweise fort. Wieder kamen die religiösen und künstlerischen
Impulse von Westen, aus Burgund und vom Rhein. Aus demselben oberrheinischen Kunst-
gebiet, diesmal aus dem Teilgebiet zwischen Rhein und Vogesen, bringen elsässische Zister-
zienser das deutschromanische Kreuzgewölbe nach Maulbronn, über dem Ostquadrat der
dortigen Kirche entsteht um 1170 das erste große Rippengewölbe im rechtsrheinischen Süd-
deutschland. Das Hauptstück der Kirche freilich, das Langhausmittelschiff, blieb noch flach
gedeckt und Bebenhausen verzichtet rückständig ganz auf Wölbung. Aber seit dem Anfang
des 13. Jahrhunderts errichteten die Zisterzienser — die hirsauischen Klöster treten bis zur
Spätgotik für uns ganz zurück und in den beiden zisterziensischen beschränkt sich die Bau-
tätigkeit jetzt auf die Klausurräume — nur noch reine Gewölbebauten und zwar meist schon
nach gotischen Konstruktionsgesetzen. Der Entwicklung der Baukunst in Deutschland, vollends
in Schwaben, wo man damals noch Lief in der Romanik stak, weit vorauseilend übertrug ein
großer Künstler um 1215 die burgundische Frühgotik nach Maulbronn. Die Verbindung
mit der oberrheinischen Kunst, die bisher ununterbrochen bestanden hatte, reißt jetzt abZ.
Aber das romanische Empfinden des Meisters war doch noch stark genug, um seinen be-
rühmten drei Maulbronner Schöpfungen ein ganz persönliches Gepräge zu geben. Schade,
daß er keine Gelegenheit fand, eine Kirche in Schwaben zu bauen. Immerhin war das Herren-
5 Aber außerhalb des von uns behandelten Kreises von Klöstern läuft der Faden weiter. St. Veit in
Ellwangen, die einzige Kirche auf württembergischem Boden mit voll durchgeführter Einwölbung, steht in engem
Abhängigkeitsverhältnis zum Langhaus des Doms zu Worms.
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