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Öffnungen. Eine ähnliche, doch schon gefälligere Behandlung der Eingangswand weist der
Saal in Komburg (Abb.27) auf. Aber schon Alpirsbach kennt die spätere Normalform der
Waudgliederung durch ein Mitkelportal zwischen je zwei Doppelfenstern (Abb. 20), die be-
sonders klar in Bebenhansen auftritt zugleich mit dem quadratischen Grundriß und der Innen-
teilung in 3X3 Gewölbejoche (Abb. 78). Maulbronn lehrt, was die Gotik durch reizvolle
Gewölbebildung und durch völlige Wandauflösung, die den Saal mit dem vorliegenden Kreuz-
gang in engste Beziehung setzt, zu leisten vermag (Abb. 70).
Von Speisesälen ist in den Hirsauischen Klöstern nichts von Bedeutung auf uns
gekommen. Um so wertvoller sind die schönen Refektorien in Maulbronn (Abb. 55 und 56)
und in Bebenhausen (Abb. 84 und 86), wo auch das Winterrefektorium Beachtung verdient.
Die alte Bauform und Einrichtung des Dormitoriums ist nirgends erhalten, doch
läßt der ausgedehnte Schlafsaal der Laienbrüder in Maulbronn die Rekonstruktion seiner
Außenseite zu (Abb. 47 Oberstock). Auf die Einzelkämmerchen der Spätzeit ist schon hingewiesen.
Ein seltenes Werk ist der großartige romanische Torbau in Großkomburg (Abb. 23),
einfacher sind die gotischen Tortürme in Bebenhausen mit der großen Kreuzigungsgruppe,
der sog. Schreibturm und der zu Maulbronn (Abb. 40).
Uber den trotz der anfänglich puritanischen Strenge dieser Klosterarchitektur reichen
Schatz der Einzelglieder, also der Stützen, Fenster und Maßwerkformen, Türen, Gesimse
usw. einen Überblick zu geben würde zu weit führen; den Einzelformen des Maulbronner
Ubergangsstils wurde oben ein eigenes Kapitel gewidmet. Aber hingedeutet sei wenigstens
auf die Säulen in ihrer mannigfaltigen Verwendung als Frei-, Wand-, Streck-, Bündel-
und Zwergsäulen und auf ihre formale Entwicklung im Lauf der Jahrhunderte. Hier sollen
besonders die Abbildungen ergänzend eintreten (z. B. Abb. 2, 6, 7, 9, 17, 30, 51, 55, 56,
70, 82 f.; 20, 52 f., 57, 59, 72, 79 f.; 31; 48 f., 52; 23 f., 27). Ferner die Kapitelle von
dem Würfel in St. Aurelius (Abb. 2) bis zu dem Säulenkopf im Kapitelsaal zu Maulbronn
(Abb. 70), an dem der Konsolenkranz den funktionellen Zweck des Kapitells und die
Trennung von Träger und Last noch einmal mit voller Deutlichkeit vor Augen führt, ehe
die Spätgotik (bereits in dem noch vorwiegend Hochgotiken Sommerrefektorium in Beben-
hausen Abb. 86) das Kapitell ausschaltet und Stütze und Gewölbe wie in natürlichem Fluß
ineinander übergehen läßt. Vgl. außer den Abbildungen der Säulen noch die Kapitelle 34,
42, 46, 60-66.
Es ist kaum zu viel gesagt: Kunst im hohen Sinn des Worts gibt es auf württem-
bergischem Boden erst seit den Hirsauern. Sie zuerst haben bei uns viel und groß gebaut;
bei der überragenden Bedeutung der Architektur und ihrer Verbindung mit der Plastik und
Malerei bedeutet das nicht weniger als die Verpflanzung der bildenden Kunst überhaupt
in den vorher kulturarmen Landstrich. Und diese Kunst kam sogleich als ein starker Strom.
Uber ein Dutzend stattlicher Klöster erstand in Schwaben binnen weniger Jahrzehnte am
Ende des 11. und Anfang des 12. Jahrhunderts. Mit Staunen beobachtet man den meteor-
artigen Aufstieg der geringfügigen, nur für 15 Mönche eingerichteten Aureliuszelle, seit sie
dem starken Geist des großen Abts gehorcht und der kluniazensischen Bewegung sich öffnet.
Kunstgeschichtlich betrachtet zuerst nur ein kleiner Grenzposten der oberrheinischen Stilprovinz
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