Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Meyer, Gustav [Hrsg.]
Lehrbuch der schönen Gartenkunst: mit besonderer Rücksicht auf die praktische Ausführung von Gärten und Parkanlagen — Berlin, 1873

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19763#0015
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
7

Der arabische oder maurische Gartenstyl.

S

Der arabische oder maurische Gartenstyl.

In den Gärten dieses Styles macht sicli seit uralter Zeit neben dem
Hang zum Phantastischen und Prächtigen das Bestreben durch kolossale
architektonische Massen und Lineamente, wie durch Kostbarkeit der An-
lagen zu wirken, bemerkbar, wofür die »schwebenden Gärten« der Königin
Semiramis zu Babylon und die Paradiese der persischen Könige Bei-
spiele liefern. Die schwebenden Gärten dieser Königin, welche 2000 bis
1900 v. Chr. gelebt haben soll, befanden sich auf einem der Höfe des
auf dem linken Euphratufer belegenen Palastes, welcher 1 '/-i deutsehe
Meilen im Umfange hatte, gegenüber dem halb so grofsen Palaste auf dem
jenseitigen Ufer, in dessen Nähe der Thurm von Babel stand. Ueber die
Zeit des Ursprunges dieser Gärten in Zweifel, schreiben Einige sie auch
dem Nebuchodonosor (Nebuchadnozar, 005 bis 502 v. Chr.) zu,
welcher dem hingst vor ihm begonnenen Belustempel seine Vollendung
gab, dessen Grundbau mit dem Bauwerk der schwebenden Gärten so viele
Aehnlichkeit hatte. Andere hingegen glauben sie der kühnen und unter-
nehmungslustigen Nitokris, der Mutter desLabonit oder Balthasar,
welcher 538 v. Chr. von Cyrus entthront und getödtet wurde, zuschreiben
zu dürfen.

Sie erhoben sich, wie der Belustempel, in zurücktretenden Stock-
werken mit aufserhalb angebrachten hohen Treppen auf einer quadratischen
Grundfläche von 400 Fufs Durchmesser bis zu eben solcher Höhe, welche
auch die Stadtmauer hatte, sodafs das Bauwerk das Ansehen einer in
Absätze getheilten sehr bedeutenden Pyramide erhielt. Die einzelnen
Stockwerkes oder Terrassen wurden von Galerien mit flacher Decke ge-
tragen , zu deren Abdeckung Steine von mehr als 15 Fufs Länge und
4 Fufs Breite verwendet wurden, über welche man eine Binsenschicht
legte, die durch einen starken Auftrag von Asphalt verhärtet wurde,
worüber wiederum zwei Reihen stark mit Mörtel verbundener Ziegelsteine
und endlich soviel Boden zu liegen kamen, dafs die Anpflanzungen darauf
gedeihen konnten. Vermittelst Pumpwerke, welche auf den Treppen an-
gebracht waren, wurde das Wasser aus dem Euphrat, welcher den Fufs
des Palastes berührte, bis zur obersten Plattform hinaufgehoben, von wo
aus es in Gestalt mannigfacher Cascaden und Fontainen die Galerieen und
die mit ihnen verbundenen unterirdischen prachtvollen grofsen Grotten und
Säle von schönster Beleuchtung auf den verschiedenen Terrassen belebte
und abkühlte und zur Bewässerung der Anpflanzungen verwendet wurde,
welche den verschiedenen Lagen- und Höhenunterschieden der Terrassen
gemäfs aus einer Auswahl von Pflanzen verschiedener Gegenden bestehen
konnten und bei der herrschenden Neigung zum Aufsergewöhnlichen ver-
muthlich auch bestanden haben. Denn »inmitten dieses jetzt wüsten und
öden Landstriches« bemerkt Berghaus*), »erhebt sich auf der Stelle der
Gärten ganz allein ein Baum, welcher alle Merkmale eines hohen Alters
an sich trägt, vom Zahn der Zeit zur Hälfte zerrissen ist, und nur noch
am Ende der Aeste einiges Leben zeigt. Dieser Baum wurde, so will es
die muhamedanischc Sage, von Gott in der allgemeinen Verwüstung ge-
schont, damit Ali sein Pferd daran binden konnte. Aufserdem haben ihn
Naturforscher für eine Art erkannt, die nur in Indien wächst, und daher
in diesem Lande ein Fremdling ist. « Da viele Malereien und bunt glasirte
Ziegel in den Ruinen der alten Paläste Babylons vorgefunden worden
sind, so läfst sich ebenfalls vermuthon, dafs Säle und Terrassen reich mit
solchen Malereien und Ziegeln verziert waren. Die Wirkung dieser an-
genehmen kühlen Grotten, Galerieen und Säle, verbunden mit den wech-
selnden Pflanzungen und der weithin sich erstreckenden Aussicht über die
Stadt, welche 00 Meilen im Umfange hatte, den Euphrat, welcher sie
durchflofs, das üppige Stromgebiet mit seinen Palmenwäldern und Fluren
und die mächtig hiermit contrastirendo Wüste, mufste in der That be-
zaubernd sein, obwohl das Ganze, nach den jetzigen Zeitverhältnissen be-
urtheilt, für die kolossalen Anstrengungen und Kosten kaum entschädigen
konnte. Diese sind indefs nur nach dem kolossalen Reichthum der baby-
lonischen Könige, der Lage dieser Gärten inmitten einer so ausgedehnten
Stadt und der herrschenden Neigung bei Bauwerken durch ungeheure
Massen und Aufwand zu wirken, zu beurtheilen.

Aelmliche Gärten, welche nicht minder riesenhafte Anstrengungen
erforderten, aber durch ihre Lage ganz den Charakter des Ländlichen
zeigten, soll Semiramis noch zwei angelegt haben. Der eine, von Dio-
dor ihr zugeschriebene, lag an dem Berge Bisutun oder Bagistanos
in den Umgebungen von Kir mansch ah, nahe an der Strafse von Bagdad
nach Hamadan; der andere befand sich nach Moses von Chorene bei
der Stadt Wan in Armenien; beide mit grofsartigen in die Felsen ge-
hauenen Plattformen und unterirdischen, reich mit Reliefs, Skulpturen und
Säulen geschmückten Gängen und Sälen. Diodor sagt in Betreff des
ersteren, dessen Ruf Alexander auf seinem Zuge nach den Nysäischeu
Pferdeweiden veranlasste sich von dem geraden Wege zu entfernen, Fol-
gendes : »Semiramis hatte die letzte Hand an die Werke, welche sie
unternommen, gelegt, und zog an der Spitze eines ansehnlichen Heeres
gegen Medien. Als sie bei dem Berge Bagistan anlangte, liefs sie in der
Nähe desselben ein Lager aufschlagen und daselbst einen Park anlegen,
der zwölf Stadien im Umfange 'hatte. Im Umkreise dieses Parks, der in-
mitten einer Ebene lag, befand sich eine wasserreiche Quelle, deren
Wasser zur Berieselung aller Anpflanzungen benutzt wurde. Der Berg
Bagistan ist dem Jupiter geweiht, und die senkrechten Felsen an der
einen Seite des Parks erheben sich zu einer Höhe von sechs Stadien.
Semiramis liefs den unteren Theil derselben sorgfältig glätten, und in der
Folge meifselte man darauf die Gestalt der Königin, umgeben von hundert
Mann ihrer Leibwache und darunter eine Inschrift in syrischen Buchstaben
aus, welche besagte, dafs Semiramis die Geschirre ihrer Maulthiere,
welche ihrem Heereszuge folgten, habe zusammentragen lassen; dieser
Haufen habe von der Ebene aus die Höhe der Felsen erreicht und ihr
allein als Treppe gedient, den Gipfel des Berges zu ersteigen.« Der
1540 Fufs hohe Berg bietet an seinem Fufse eine Plattform, welche für
ein Gebäude bestimmt gewesen zu sein scheint, und am Abhänge ein Bas-
relief dar, welches vom Einfluss der Witterung und von Menschenhänden
verstümmelt worden ist; auch wird es von einer Steintafel mit einem
griechischen Basrelief unterbrochen, und wiederum stellenweise werden
noch persische, medische und babylonische Inschriften bemerkt.

Ker Porter hat zuerst einige dieser Basreliefs gezeichnet und zu
erklären gesucht, worauf Rawlinson*) es unternahm die vorzüglichste dieser
Darstellungen, welche auf der Ostseite des geglätteten Felsens in einer
Höhe von 300 Fufs über dem Boden sich vorfindet, näher zu untersuchen,
zu zeichnen und die zubehörige in gewöhnlicher Keilschrift gehaltene per-
sische Inschrift fast vollständig zu entziffern. Hiernach stellt die könig-
liche Figur, welche dort iu einer Nische aufrecht dargestellt ist, die Krone
auf dem Kopfe und die Linke auf den Bogen gestützt hat, den König
Dareios [■[■ 4 8(1 v. Chr.) vor, welcher von seinem Lanzenträger begleitet
ist, und mit seinem rechten Fufse auf einen auf dem Rücken liegenden
Mann tritt, welcher die Hände flehend empor hebt, welcher nach der In-
schrift, die 413 Zeilen (4y2 Columnen) lang, der von Dareios besiegte
Gumata oder falsche Smerdis ist. Neun andere Figuren in verschiedenen
Trachten, alle kleiner als die Figur des Dareios, mit zurück gebundenen
Händen, entblößtem Haupte und von Hals zu Hals gefesselt, stehen vor
ihm; es sind die neun Könige, welche sich gegen Dareios empört hatten
und von ihm besiegt und hingerichtet worden waren. Der Gott Nisroch,
Ahuramasda im geflügelten Kreis, als ernster Mann mit langem Haar und
Bart und dem Ring, dem Zeichen der Herrschaft, in der Hand, welchem
Dareios der Inschrift geinäfs den Sieg über seine Feinde zuschrieb, schwebt
über der Gruppe.

Aufserdem finden sich noch Basreliefs, Skulpturen und Inschriften
vor, welche verschiedenen Zeiten angehören. Dieser Umstand, und
dafs die Seitenwände eines Sales auf dem westlichen Ende des Felsens,
der den Namen »Gewölbe des Gartens« führt, mit Darstellungen länd-
licher Scenen, als Hirsch- und Eberjagden, bedeckt sind, läfst ver-
muthen, dass dieser Ort lange Zeit verschiedenen persischen Königen als
Lustsitz gedient habe, und dafs die grofsentheils von Natur reich mit
Gehölz bewachsene Umgebung zu einem Wildpark eingerichtet war, wie

f) Baudenkmäler Bd. I pag. 195.

I
I

*3 Rawlinson, Journal of the R. soc. vol. X.
 
Annotationen